Arizona hat von uns den Beinamen "55 plus Staat" erhalten. Der Bundesstaat ist bei älteren Kanadiern und Amerikanern ein beliebtes Winterdomizil. Im Verlauf der Reise lernen wir die Camps, die in der App mit 55+ versehen sind, zu meiden. Jetzt wären wir allerdings froh einen geeigneten Platz zu finden. Wir müssen Wäsche waschen, ich habe einiges an Internetarbeit zu erledigen, der Dicke und wir benötigen dringend eine Dusche. Wie meistens steuern wir erst die günstigeren Plätze an. Einmal werden die Sanitäranlagen renoviert, dann sind die Plätze voll oder Internet gibt es nur vor dem Büro, wenn überhaupt. Wir landen schließlich nach endloser Sucherei zentrumsnah auf dem KOA Platz. Zu unserer Überraschung ist er sogar günstiger als alle anderen Camps und hat schnelles Internet. Was will ich mehr. Bis auf eine Wäsche für das Wohnmobil erledigen wir alles. Weit und breit gibt es keine Waschanlage für RV`s, nur für PKW`s. Dafür finden wir eine neue Ummantelung für den Abwasserschlauch. Das Dumpen geht dank eines Verlängerungsschlauches, den wir uns bereits vor einigen Monaten zugelegt hatten, relativ einfach. Damit erreichen wir bequem jede noch so ungünstige Dumpstation oder können das Wasser auch am Platz entsorgen.
Nicht weit von Flagstaff entfernt befinden sich das Sunset Crater Volcano National Monument und das Wupatki National Monument. Beides ist für uns einen Abstecher mit Übernachtung im Sunset Crater wert. Vom Hwy 89 führen mehrere Stichstraßen in das Vulkangebiet. Was wir im Craters of the Moon bereits sahen gibt es hier in einer anderen kleineren Version aber ebenso reizvoll. Die gelb blühenden Sträucher bilden einen tollen Kontrast zur schwarzen Lava. Von einem höher gelegenen Aussichtspunkt überblicken wir das gesamte Tal und erleben ein tolles Licht und Schattenspiel des Himmels.
Vor uns sitzt eine ältere Dame und hält diesen Moment mit einer Zeichnung fest. Sie ist so vertieft in ihre Arbeit daß sie uns anscheinend nicht bemerkt. Wir folgen dem Loop Drive/ 395 und fahren durch die hügelige Kiefernlandschaft des Coconino National Forest bis wir schließlich das Visitor Center bei den Wupatki Ruinen erreichen. Im 140Km 2 großen National Monument wurden ca. 2600 prähistorische Fundstellen entdeckt, darunter die Ruinen von Pueblos der Anasazi Kultur. Wir fahren nicht nur auf dem 35 Meilen langen Loop Drive zu den verschiedenen Fundstellen, sondern biegen auf einem Schotterweg ab. Warum auch immer. Der Weg ist schlecht, eng und führt ins Nichts. Warum ich nicht ausgestiegen bin und beim Wenden assistiert habe kann ich nicht sagen. Wir setzten jedenfalls mit dem Heck in der Sandbegrenzung auf und reißen uns einen Riss in die Heckschürze. Wir können vor Ort die Heckschürze mit Klebeband einigermaßen befestigen und haben Glück, daß das Rücklicht noch funktioniert. Dumm gelaufen, hätte aber schlimmer sein können.
Wir befinden uns immer noch auf dem Colorado Plateau. Die Landschaft ist flach, überall rote Erde mit niedrigem Gewächs. Die Ruinen der Pueblos leuchten rot in der Sonne. Wir erleben einen interessanten Park endlich einmal ohne Massentourismus.
Wir wollen weiter nach Sedona und müssen zurück nach Flagstaff. Hinter der Stadt, auf der 89A, eine riesige kilometerlange Baustelle, die der besten Off Road Piste Konkurrenz machen kann. Wir haben ein mulmiges Gefühl und hoffen, daß nicht der nächste Schaden am Auto passiert. Wir schaffen den Abschnitt ohne aufzusetzen und können uns auf andere Dinge konzentrieren, nämlich die Landschaft, die wieder einmal sehr abwechslungsreich ist. Die Straße geht geradewegs in den Oak Creek Canyon hinein, wo wir gegen Mittag die Fahrt beenden. Der Platz liegt unter schattigen Bäumen und wird von roten Felswänden eingerahmt. Es ist ein Tag wo einiges schief läuft. Den Kuchen lasse ich im portablen Omnia Backofen verkohlen weil ich Bilder lösche. Silvia räumt die Heckgarage auf. Ansonsten wird es ein gemütlicher Tag mit netten Gesprächen unter Nachbarn. Essen wollen wir draußen obwohl es hier kühler ist aber wozu haben wir lange Hosen und Jacken. Fehlt nur noch das Essen. Es gibt geräucherten Lachs mit einer Patina aus Erde. Der Lachs ist Silvia beim Ausstieg auf den Boden gefallen.
Die Wüstenstadt Sedona ist umgeben von steilen Canyon Wänden und roten Felskuppen. Die einheitliche Architektur, die im mexikanischem Stil erbauten roten Sandsteinhäuser, bestimmen das Stadtbild und passen optimal in die Landschaft. Den ersten Bewohnern, u.a. Apachen, folgten die Spanier, Mexikaner und zum Schluß die ersten Europäer. Heute bevölkern Touristen den Ort, deren Lieblingsbeschäftigung das Einkaufen ist. Geschäft reiht sich an Geschäft, Kunstgalerie an Kunstgalerie. Für jeden Geschmack ist etwas dabei.
Einige Kilometer weiter südlich befindet sich der Red Rock State Park. Bei unsere Ankunft findet gerade eine Hochzeitsfeier auf der Terrasse des Besucher Zentrums statt. Für die State Parks gilt der Annual Pass nicht und wir müssen 14 $ bezahlen. Wir durchwandern den kleinen Park auf dem Kisva Trail, überqueren den Oak River und gehen im Anschluß daran den Eagles Nest Trail. Eagle haben bekanntlich ihre Nester weit oben. Also müssen wir hinauf. Es geht steil bergauf. Oben wird es flacher und wir überblicken das gesamte Tal. Wir entdecken die ersten Kakteen, die zur Zeit Früchte tragen. Klapperschlangen entdecken wir nicht.
Aus der Ferne sehen wir vom Hwy 89 A die, wie es scheint, in den Felsen gebaute Bergbaustadt Jerome. Nach den ersten Kupferfunden fand man später auch Gold und der Run auf die Bodenschätze ging los. Heute ist der Ort ein verschlafenes Nest mit nicht einmal 500 Einwohnern. Nicht so an diesem Wochenende. Wir winden uns langsam über etliche Serpentinen nach oben und werden mit einem Banner "Welcome Bikers" empfangen. Na ja, Bikers sind wir nicht gerade aber wir fühlen uns angesprochen. Der gesamte Ort bricht aus allen Nähten. Bike um Bike säumen die Straßen. Eine Maschine ist schöner als die andere. Wohin wir schauen Biker. Vergebens suchen wir nach einer freien Parklücke. Selbst ein Smart würde nirgends hineinpassen. Wir entdecken auch keine Querstraße. Wir können nur der Main Street folgen, die direkt zur Feuerwache hinführt. Wir fragen nach einer Parkmöglichkeit. Es gibt keine für unser Wohnmobil und auf dem Platz vor der Feuerwache dürfen wir nicht stehen. Es ist bereits 17.00 Uhr und schweren Herzens müssen wir weiter fahren. Selbst im Ort windet sich die Straße in Serpentinen nach oben. Es wird steiler und der Dicke muß sich anstrengen. Rechter Hand schrammen wir immer knapp am Felsen entlang und linker Hand blicken wir in den steilen Abgrund. In jeder Kehre haben wir das Gefühl geradewegs in den dunkel blauen Himmel zu fahren. Diese 13 Km lange Strecke ist noch interessanter als der Moki Dugway in Utah. Etliche Biker kommen gemütlich von oben herunter, ohne Helm, dafür mit Begleitperson auf dem Sozius. Lediglich ein um den Kopf gebundenes Tuch "schützt" denselbigen. Easy Rider läßt grüßen. Auf der Bergkuppe treffen wir die falsche Entscheidung und fahren links die Schotterstraße hoch. Wir wollen auf einen Platz der in der i Overlander App angegeben ist. Nur da kommen wir nicht drauf, wir würden aufsetzen. Noch weiter hoch zu fahren wäre sinnlos. Also geht es auf der Wellblechpiste zurück bis zur Hauptstraße. Dieses Mal assistiere ich beim Wenden. Wo hatten wir nur unsere Augen. Direkt vor uns das Schild "Potato Camp". Eine wie es aussieht neue Anlage auf dem Berg, umgeben von Wäldern und mit Strom. Das alles für kleinen Preis. Auch in USA werden die Tage kürzer. Mittlerweile geht die Sonne gegen 18.40 Uhr unter. Wir stellen uns auf längere Herbstabende ein. Die Tage sind noch heiß, aber je nachdem wo wir gerade sind kann es abends frisch sein. Nach Einbruch der Dunkelheit wird es normalerweise auf einem Camp sehr ruhig. Nicht hier. In beiden Nächten geht nachts das Spektakel los. Die Kojoten heulen um die Wette in einer Lautstärke die uns aus den Schlaf reißt. Wir waren uns nicht sicher ob es Schakale oder Kojoten sind aber ein Nachbar gibt Auskunft. Es sind Kojoten.
228 Meilen sind es bis noch bis Ajo und zum Organ Pipe Cactus Monument, der auf meiner Wunschliste stand. In Phönix, der Hauptstadt Arizonas, kaufen wir lediglich ein und füllen die Gasflaschen auf . Es ist unerträglich heiß deshalb wollen wir schnell aus der Stadt raus. Die Landschaft wird trister, Wüstenland eben. Keine roten Felsen bestimmen mehr das Landschaftsbild dafür tauchen die ersten Saguaro Kakteen auf. In Gila Bend übernachten wir hinter einer Tankstelle auf dem RV Areal. Am Abend verfärbt sich der Himmel hinter dem Bretterzaun orangerot. Ein Grund für die Bildung des Abendrot ist die Verschmutzung der Luft durch Staubpartikel. Gute Aussichten für uns also so einen leuchtenden Himmel täglich zu sehen denn bei dem trockenen Sandboden staubt es hier ständig. Am späten Vormittag erreichen wir die Grenzstadt Ajo. Bis Mexico sind es noch 60 Km. Bis 1985 wurde hier Kupfer abgebaut. Schon die Papago Indianer verwendeten das ausgesprochene reine und leicht zu gewinnende Kupfererz in Ajo, um Farbe für die Körperbemalung zu gewinnen. Nach der Schließung der Mine zogen etwa 45% der Bewohner aus Ajo weg und die Wirtschaft brach zusammen. Mit Hilfe von Fördergeldern und Stiftungen wurden die im spanischen Stil erbauten Gebäude wieder renoviert. Heute ist Ajo ein Zentrum für Künstler und es gibt einen bescheidenen Tourismus. Die Stadt ist wie ausgestorben, lediglich ein Radler mit vollbepacktem Bike kommt uns entgegen. Unter den Arkaden sitzen wir bei einer Tasse Kaffee im Schatten und würden so gerne Leute beobachten.
Auf dem Hwy 85 sind es noch 33 Meilen bis zum Organ Pipe National Monument. Auf der gegenüberliegenden Seite gibt es einen Kontrollposten der Border Patrol. Wir können auf unserer Seite ungehindert weiterfahren. Vom Park sind es bis zur mexikanischen Grenze noch einmal 5 Meilen. Im riesigen, gut sortierten Visitor Center versorgen wir uns mit Informationsmaterial und ich kaufe mir endlich einen Hut. Bislang habe ich mich erfolgreich geweigert einen aufzusetzen. Hut steht mir nicht, aber Silvia setzt sich diesmal durch. Wir müssen weitere Kilometer bis zum Camp zurücklegen. Wir haben die freie Auswahl denn der Platz ist so gut wie leer. Jede Parzelle hat einen Betonboden und einen großzügig überdachten Sitzbereich. Ohne Strom können wir gut leben denn viel wichtiger sind uns die Duschen und die gibt es hier. Bei dem Klima brauchen wir die auch. Wir haben Ende September und über 35 °. An den Sanitärgebäuden sind Hinweisschilder die vor Spinnen, Skorpionen und auch Wüstenratten warnen. Die meisten der Tiere sind in der Regel nachtaktiv und wir bekommen keine zu sehen. Lediglich schwirren riesige Motten und anderes Getier in der Dunkelheit um die schwachen Lichtquellen herum. Unsere solarbetriebene Lampe stellen wir deshalb immer etwas abseits auf den Tisch. Mit unseren Stirnlampen finden wir den Weg zum Sanitärgebäude und wedeln ständig mit den Händen vor dem Gesicht herum. Es ist absolut still. Wir trinken ein letztes kühles Bier genießen dabei die himmlische Ruhe und betrachten den phänomenalen Sternenhimmel.
Der Park ist der nördliche Teil der überwiegend in Mexico liegenden Sonora Wüste. Er ist nach dem Orgelpfeifenkaktus benannt, den es innerhalb der USA nur noch in diesem Park und in der näheren Umgebung gibt.
Nein, wir haben keinen Sonnenstich. Das Schild hängt falsch herum. Wir wandern auf dem Viktoria Trail. Wie Silvia habe ich zum ersten Mal eine Kopfbedeckung auf und eine eigene Wasserflasche mit. Wir sind schließlich in einer Wüste. Wir folgen dem ausgetretenen Pfad vorbei an den verschiedenen Kakteenarten, halten von den Chollas genügend Abstand denn die Pflanze hat die Angewohnheit ihre Stacheln abzuwerfen wenn sich Mensch oder Tier ihnen nähert. Die bis zu 15 Meter hohen Saguaro, die geschützt unter Sträuchern zu wachsen beginnen und diese nach zig Jahren um etliche Meter überragen sind da ungefährlicher. Nur umarmen möchten wir sie nicht. Es geht in Wellen auf und ab. In einer Senke entdecken wir eine Bank unter einem Baum und nicht weit davon große schwarze Kanister. In der Information wurde uns gestern ein Merkblatt ausgehändigt, daß es wegen der Nähe zur mexikanischen Grenze immer wieder zu illegalen Grenzübertretungen kommt und wir etwaige Beobachten sofort dem Ranger melden sollen. Keine Ahnung wer die Kanister verloren hat und wir glauben auch nicht daß wir so etwas melden wollen und sollen. Wir laufen weiter und der Wasservorrat schwindet. Eigentlich hätten wir die Überreste der Mine längst erreicht haben müssen denn es sind bis dahin nur 2 Meilen. Die Vernunft siegt und wir kehren um. Die Haare sind unter dem Hut klatsch naß und wir sehen recht wüst aus. Im Camp spricht uns direkt ein schwer bewaffneter Border Officer an. Er möchte wissen wohin wir gegangen sind und ob wir Auffälliges gesehen haben. Es sind wieder Migranten illegal über die Grenze gelangt und befinden sich noch irgendwo auf amerikanischer Seite.
Die Nähe zur mexikanischen Seite wird uns auf dem Campingplatz jeden Tag bewußt denn vom Platz aus sehen wir zwischen den Kakteen den Grenzverlauf. Es sind zwar, wie wir wissen, keine Schießanlagen montiert aber der gerodete Grenzstreifen erinnert schon ein wenig an die Innerdeutsche Grenze früherer Jahre. In regelmäßigen Abständen fährt die Border Patrol den Bereich ab. Wir sind neugierig und wollen uns die Grenzstation aus der Nähe ansehen.
Wir sitzen im Auto, Silvia startet den Motor und es piept. Die Kontrollleuchte ABS, ESP leuchtet. Dazu kommt noch die Info: Hill Holder defekt. Was machen? Die Fehlermeldung im Service Heft ist unergiebig. Wir sollen eine Werkstatt aufsuchen. Schön, wenn denn eine da wäre. Im Visitor Center gibt es gute Internetverbindung und wir mailen zur Heimwerkstatt. Wir erhalten die Aussage daß wir damit weiter fahren können aber bei Gelegenheit eine Werkstatt ansteuern sollen. Das einzige Problem besteht beim Anfahren am Berg, Wagen rollt zurück. Das schaffen wir. Trotzdem suchen wir nach einer Fiat Werkstatt in Tucson wo wir eh auf der Weiterfahrt durch müssen. Jetzt aber erst zur Grenze. Was wir zu sehen bekommen sieht alles sehr easy aus. Ein Officer fragt uns ob wir rüber wollen, möchte wissen woher wir kommen und begutachtet das Wohnmobil. Wir erzählen ihm von unseren weiteren Plänen und er wünscht uns lediglich eine gute Reise. Zurück im Camp müssen wir wieder Rede und Antwort geben bezüglich eventueller Auffälligkeiten während der Fahrt.
Bis Tucson sind es nur 143 Meilen. Bei Why, einer kleinen Wüstenstadt mit Casino, einem Lebensmittelladen, 2 Campgrounds und einer Fischbude biegen wir auf den Hwy 86 und halten lediglich an den Border Patrol Posten. Auf der gesamten Strecke verteilt stehen versteckt unter Büschen die Grenzbeamten und beobachten in ihren Fahrzeugen sitzend die Straße und die Umgebung. Ein entspannter Job. Beim Fiat Händler in Tucson werden wir sofort abgewimmelt. Ein europäisches Auto reparieren sie nicht, hätten auch keinen Auslesecomputer. Sie sind sich aber sicher, daß es in Phoenix eine entsprechende Werkstatt gibt. Adresse und Name ist allerdings unbekannt. Wir werden im Internet fündig und müssen wieder 113 Meilen nach Norden. Das ewige Piepsen und die ständige Ermahnung ASB usw nicht verfügbar macht uns rappelig. Es stört. Kurz vor Ladenschluss kommen wir an. Es ist Freitag und um diese Uhrzeit nichts mehr zu machen. Sie können helfen aber nicht mehr heute und schicken uns einige Kilometer weiter nach Schumacher, sollen aber bei Bedarf am Montag wieder kommen. Schumacher klingt deutsch, ist aber Mercedes und auch keine Hilfe. Wir fahren kreuz und quer durch Phönix auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Walmart ist laut App in den meisten Fällen verboten oder liegt zu weit weg. Alle Camps die wir ansteuern sind geschlossen, die Anmeldung ist nur bis mittags besetzt oder die Camps bestehen nur aus festen Holzhäusern ohne Wohnmobil Stellplätze. Einen letzten Versuch starten wir noch. Wir stehen vor einem Campingplatz der von einer hohen Mauer umgeben ist. Die Einfahrt ist geöffnet. Vor dem Office sitzen betagte Männer und Frauen im überdachten Golfwagen, Schirmmütze auf dem Kopf und lassen sich die Post von einem jüngeren Mann geben. Wir stellen aber fest daß er mit dem Camp nichts zu tun hat und lediglich Fahrdienste für die Herrschaften erledigt. Wir werden von einer der charmanten Damen angesprochen, die eilfertig dafür sorgt daß wir ein Anmeldeformular erhalten. Wir könnten ruhig hier bleiben es wäre alles nett und wir würden nicht stören. Abends gäbe es sogar ein Unterhaltungsprogramm. Wir schauen uns das Anmeldeformular an und hegen den Verdacht daß es sich um einen Antrag für ein Altersheim handelt. Von Krankenversicherung bis Angaben über die nächsten Verwandten wird alles mögliche abgefragt. Wir bedanken uns bei der netten Dame für ihre Mühe, verabschieden uns und suchen unser Glück woanders. Unser Glück erreichen wir in der Dunkelheit und heißt Walmart. Morgens stellen wir fest daß Übernachten nicht erlaubt ist. Wo kein Kläger da kein Richter.
Jetzt sind wir wider Erwarten doch in Phönix. Einmal hier wollen wir uns einige der Sehenswürdigkeiten ansehen. Daraus wird nichts denn ich höre beim Fahren ein Klackern. Die Reifen laufen nicht rund. Bei der nächsten Gelegenheit schaue ich nach und entdecke eine dicke Schraube im rechten Vorderreifen. Schiet. Silvia tritt vor Frust gegen einen Betonpfosten. Wo gibt es in der Nähe einen Tire Discount? Keine Ahnung. Die Adresse von Fiat ist gespeichert, wir dorthin. Tina schaut nach ob sie passende Reifen haben, haben sie natürlich nicht. In USA kennt niemand die Adressen, es gibt immer nur eine Wegbeschreibung. Diese ist ausnahmsweise einfach. Wir finden die Tire Werkstatt und um die Ecke sehen wir Walmart wo wir übernachtet haben. Wir sind da wo wir heute Morgen losgefahren sind. Sie notieren sich die Reifengröße geben alles im PC ein und können uns helfen. Wir sollen in 2-3 Stunden zurück kommen. Silvia ist wieder guter Dinge während ich noch meine Bedenken habe. Wir schlendern ziellos umher und stehen nach wenigen Minuten vor einem Biker Restaurant "Eating and Destillerie". Vor der Terrasse parken Harley Davidson, wir ergattern freie Plätze und gönnen uns trotz der frühen Mittagszeit ein Bier und bestellen uns ein Essen. Big, Bigger, Biker Big. Nach nicht einmal 2 Stunden kommt der Anruf daß der Wagen fertig ist. Wir haben zwar keinen neuen Reifen erhalten, sondern der alte Reifen wurde repariert und das kostenfrei. Die Irrfahrt durch Phönix geht weiter. Mittlerweile sind wir gefühlt alle Straßen abgefahren. Für Unternehmungen ist es mittlerweile zu spät. Also starten wir das Unternehmen Nachtplatz suchen. Um es kurz zu machen, wir stehen auf einem anderen Walmart Platz mit No Overnight, haben aber die Erlaubnis im Laden erhalten hier stehen bleiben zu dürfen. Wir sind von den letzten beiden Tagen gerädert und genervt. Ich trinke abends im Wohnmobileingang ein kühles Bier und rauche genüßlich eine Zigarette. In einiger Entfernung beobachte ich einen Polizisten und der anscheinend mich. Kaum daß ich die Zigarette im Ascher ausgedrückt habe kommt er mit seinem Wagen angebraust und stoppt abrupt vor dem Wohnmobil ab. Mit Taschenlampe in der Hand möchte er wissen was ich gerade geraucht habe und leuchtet in den Aschenbecher. Ich schaue ihn nur groß und verständnislos an. Er scheint zufrieden zu sein denn er geht grußlos weg. Wow.
Heute am Sonntag besuchen wir den Papago Park. Wir wandern mitten in der Stadt durch eine Wüstenlandschaft und krabbeln die Felsen hoch um zum Hole in the Rock zu gelangen. Von dort geht es zu Fuß weiter zum Botanischen Garten, der mit einer Fülle von verschiedenen Kakteenarten aufwartet, die wir im Organ Pipe Park nicht gesehen haben. Unter schattigen Bäumen sind Ruhezonen angelegt und in einem anderen Teil des Parks ist ein Dorf der früher hier lebenden Natives nachgebaut. Danach besichtigen wir die touristische Old Town in Scottsdale und versacken in einer Kneipe. Wir stellen uns zum Übernachten auf unserem ersten Walmartplatz egal ob erlaubt oder nicht. Wenn sie uns wegschicken gut, wenn nicht, besser.
Es ist Montag und ich habe einen dicken Hals während Silvia gelassen bleibt. Wir stehen bei Fiat. Nachdem Fred ein Protokoll angelegt hat geht er damit ins Büro und fragt wohl den Chef. Dann erklärt er uns daß er den Fehler nicht beheben kann weil er die entsprechende Software zum Auslesen nicht hat. Er müßte das Gerät bestellen und das würde dann in etwa 6 Monaten da sein. So ein Blödsinn. Ich komme mir gelinde gesagt veräppelt vor. Dieses hätte er uns auch am Freitag schon sagen können. Unverrichteter Dinge verlassen wir Phönix. Zumindest kennen wir gefühlt jede Straße der Stadt an denen wir zum ersten Mal an den Knotenpunkten zahlreiche Homelands zu sehen bekamen.
Tombstone, eine ehemalige "Boomtown" im Cochise Country, war 1881 Schauplatz der berühmten Schießerei am O.K. Corral zwischen Doc Holliday und den Earp Brüdern auf der einen und den Mc Laurys und den Clantens auf der anderen Seite. Noch heute wird der Kampf, der auf der Allen Street stattfand, täglich nachgestellt. Doc Holliday und Wyatt Earp waren nichts anderes als Revolverhelden, auch wenn es in zahlreichen Filmen teilweise anders dargestellt wird. Die alte, gut erhaltene Westerstadt ist heute touristisch interessant. Man geht über Holzstege, Schaukelstühle stehen an den Häuserwänden und in dem nach Big Nose Kate benanntem Saloon kann der Gast an den ehemaligen Pokertischen oder an der Bar einen Drink genießen. Das alles ungefährlich unter den wachsamen Augen Doc Hollidays und seiner Lebensgefährtin Mary Katherine Haroway, genannt " Big Nose Kate" einer ehemaligen Prostituierten.
Am Ortsrand in den Tombstone Hills befindet sich der sogenannte Boothill Graveyard. Auf diesem Friedhof wurden überwiegend die Outlaws, die sprichwörtlich mit den Schuhen gestorben sind, beigesetzt. Die meisten der Gräber datieren aus den 1881-1882 Jahren. Killed by Mistake, four sluggs no more no less, Lynched by Bisbee Mob. Mit wenigen Ausnahmen sind alle der hier Ruhenden eines gewaltsamen Todes gestorben. Darunter auch Kinder.
Nach dem Silberboom wurde es in Tombstone wieder ruhiger. Von ehemals über 5000 Menschen leben heute noch ca. 500 hier, deren Einnahmequelle überwiegend der Tourismus ist. Wer für den sogenannten Wilden Westen ein Faible hat wird in Tombstone nicht enttäuscht.
Über Bisbee und der Grenzstadt Douglas steuern wir unser vorerst letztes Ziel in Arizona an. Bisbee wurde nach dem Rückzug der Minengesellschaften von Hippies aus Kalifornien bevölkert. Der einsetzende Babyboom sorgte für eine stabil bleibende Einwohnerzahl. Bereits 2013 war man hier so umweltbewußt, daß Plastiktüten verboten wurden. Außerdem erlaubte man das Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Paare mit den rechtlichen Folgen wie bei einer Eheschließung. Arizonas Justizminister wollte dies verhindern, war aber erfolglos.
Auf dem Weg zum Chiricahua Park wollen wir uns nebenbei die Ghost Town Geesen anschauen. Dafür müssen wir den Hwy 191 verlassen und in die Einöde fahren. Die wenigen alten Mauerreste verlangen ein hohes Maß an Phantasie um darin eine alte Town zu erkennen. Ein nicht lohnenswerter Abstecher, aber was soll es.
Dafür ist der Chiricahua Park um so schöner. Mein Gott, sind die Amerikaner umständlich. Wir fahren direkt bis zum Camp, der so gut wie leer ist, müssen aber laut des Host zum Visitor Center zurück und uns anmelden. Dort werden wir gefragt ob wir reserviert haben. Wir verneinen. Eine Reservierung geht eigentlich nur online aber die Rancherin macht eine Ausnahme. Wir wollen zwei Nächte buchen. Geht nicht. Für heute können wir direkt zahlen und für die nächste Nacht macht sie eine online Anmeldung die wir allerdings erst morgen zahlen können. Wir müssen also morgen noch einmal hin. Wir waren selber etwas dumm denn wir hätten ja einen Briefumschlag mit der Gebühr hinterlegen können. Oder geht das auch nicht? Am nächsten Tag bekommen wir einen anderen Platz zugewiesen aber der Host meint nur wir sollen da wo wir sind stehen bleiben denn der Camping Platz wäre eh leer. Wir stehen in einem Kessel unter Bäumen und sind von skurrilen Felsformationen umgeben. Von der einzigen Straße beginnen etliche Wanderungen unterschiedlicher Länge und Schwierigkeitsgrade. Wir machen die Bekanntschaft von Marge, einer pensionierten Lehrerin, die trotz des hohen Alters vom Wandern nicht genug bekommt. So hat sie vor einigen Jahren noch den Apalachen und den Coast Trail bewältigt. Hut ab, eine stramme Leistung. Uns, bzw. mir reicht morgen eine Wanderung in den Echo Canyon.
Am nächsten Tag ist es kühl. Oben am Parkplatz des Trailhead stehen wir im Nebel und sehen nichts. Gut, dann erst die Anmeldung für heute erledigen und später unser Glück probieren. Gegen Mittag reißt der Himmel zeitweise auf und wir können die Wanderung wagen. Es geht nur nach unten. Je tiefer wir kommen um so größer und bizarren erscheinen die Felsen. Dem Echo Canyon Trail schließen sich der Hailstone und der Ed Riggs Trail an. Am letzten Abzweig geht es dann rechts auf den Maasai Point Trail. Von hier oben haben wir einen phantastischen Überblick über das gesamte Wandergebiet.
Vor Sonnenuntergang wandern wir durch die Ebene am Bonita Canyon Campground und beobachten dabei 5 Rehe. Morgen verlassen wir vorübergehend Arizona und reisen nach New Mexico weiter. Wir haben zwischenzeitlich für das Ballon Festival in Albuquerque gebucht und müssen in gut einer Woche dort sein.
Der Chiricahua Park ist so etwas wie ein Geheimtip. Allerdings liegt er ein wenig abseits der üblichen Touristenrouten. Wen es trotzdem in diese Gegend verschlägt und wer keine Angst vor der Einsamkeit hat wird einen Abstecher nicht bereuen. Ach ja. Es gibt im Park Schwarzbären.