Wir verlassen die Fähre an der Horseshoe Bay und befinden uns direkt auf der "99". Die spektakuläre Strecke schlängelt sich die ersten Kilometer immer am Howe Sound entlang. Auf der linken Seite das Wasser, rechts die bewaldeten Hänge der steilen Felswände der Coast Mountains. Im Shannon Falls Park befinden sich in unmittelbarer Nähe zur Straße die gleichnamigen Wasserfälle. Sie stürzen über mehrere Stufen 335 Meter in die Tiefe. Wir
sind während der Fahrt nicht ganz bei der Sache sonst hätten wir unseren ersten Bär sicher eher wahrgenommen. Bei der nächsten Gelegenheit wenden wir und fahren zurück aber der Schwarzbär ist im Dickicht verschwunden. Wow, unser erster Bär wenn auch nur im Vorbeifahren. Nach gefahrenen 90 Km ist für uns heute Schluß. Wir stehen auf der Cal Cheak Recreation Site. Der Platz ist menschenleer und wir suchen uns einen Platz direkt am Fluß aus. Überall befinden sich Hinweisschilder daß wir uns im Bärengebiet befinden. Die Müllbehälter sind bärensicher und an der Tafel lesen wir die Verhaltensregeln für Camper. Bezahlen müssen wir erst morgen wenn der Ranger kommt. Es ist schon ein wenig komisch. Der erste gesichtete Bär macht uns vorsichtiger. Immer wenn ich meinem Laster fröhne singe ich Lieder und schaue mich nach allen Seiten um. Wir hören nur das Rauschen des Wassers und das Zwitschern der Vögel. Mit Einbruch der Dunkelheit sind auch diese still. Die Nacht wird bestimmt ruhig, nicht zu vergleichen mit Pilot und Flying J.
Habe ich gut geschlafen. Da ich nicht weiß wann der Ranger kommt treibe ich Silvia zur Eile an. Ich will ihn nicht unbedingt im Schlafanzug begrüßen. "Laß dir Zeit, der war schon da" meint sie lapidar. "Wie, wann denn"? Ich hatte da wohl meinen Tiefschlaf. "Der hat heute früh ans Auto gerüttelt, aber es war noch dunkel. Ich habe nicht aufgemacht". Na gut, da haben wir Geld gespart. Pünktlich nach dem Frühstück klopft es. Ein breit bis zu den Ohren grinsender Ranger steht vor uns und fragt ob wir den Bären gesehen haben. "Ja, den haben wir gestern an der Straße gesehen", erzählen wir ihm freudestrahlend. Das Grinsen wird noch breiter. Er staunt wohl über Touristen und deren Begeisterung wegen Bären. Wir zahlen und machen das Wohnmobil für die Weiterfahrt fertig. Zum Schluß der obligatorische Rundgang ums Auto, schauen ob alles in Ordnung ist. Dabei entdecken wir die Spuren, die sich nicht ohne weiteres abwischen lassen. Fingerabdrücke, nein, Tatzenabdrücke. Uns wird einiges klar. Nicht der Ranger hat nachts ans Auto gerüttelt sondern wir hatten Besuch von einem Bären. Das erklärt auch die Frage und das Grinsen des Rangers. Gut daß Silvia zu faul zum Aufstehen war. Bären haben einen guten Geruchssinn. Ab heute gibt es eine neue Regel.
Regel Nummer 5: Keine Lebensmittelreste / Abfall im Wohnmobil lassen.
Wir fahren an der Stadt Whistler mit dem riesigen Skigebiet vorbei, passieren den Green Lake und landen in Pemberton um gutes Brot zu kaufen. In der Blackbird Bakery kann der Gast dem Bäcker beim Brot backen zusehen. Leider hat die Bäckerei geschlossen. Nach Pemberton heißt die "99" Duffey Lake Rd. Nicht weit hinter dem Lillooet Lake, am Joffre Lake PP, beginnt eine tolle aber schwierige 5 Km lange Wanderung zu den Lower, Middle und Upper Lakes. Es geht auf einem one way 400 Höhenmeter hinauf. An der Tafel lesen wir, daß für die Strecke zum Lake 2,5 Stunden Gehzeit einzuplanen sind. Das kann ja heiter werden. Wir haben heute wieder einen Bären gesehen. Sie scheinen alle den Winterschlaf beendet zu haben. Gut daß wir nicht alleine wandern. Zuerst marschieren wir noch auf relativ ebener Strecke. Unter unseren Füßen knirscht der Schnee. Die Bearbell bimmelt ununterbrochen und nervt. Es wird steiler und wir rutschen ständig aus. Wie sollen wir gleichzeitig auf den Weg achten und die Gegend absuchen. Mir ist nicht ganz geheuer. Die Steigung ist geschafft und wir überqueren einen Steilhang. Viele Wanderer rutschen beim Rückweg auf den Hosenboden die Hänge hinunter. Ganz neue Geräusche dringen an mein Ohr, denn heute schnauft auch Silvia. Begleitet werden wir von Vögeln die immer vor und neben uns herum fliegen. Wir gehen nur bis zum Middle Lake denn das weitere Stück ist noch schneereicher und weniger gut ausgetreten. Außerdem ist die Sicht schlecht. Weiter oben nur Nebel und dicke Wolken. Jetzt wissen wir was die Vögel wollen. Unser Proviant ist vor ihnen nicht sicher. Der Rückweg ist eine einzige Rutschpartie, aber mit den Wanderstöcken können wir uns gut abstützen.
Es geht weiter durch eine grandiose Landschaft. Wir kommen uns wie auf einer Safari vor. Wir halten Ausschau nach schwarzen Punkten, die sich aus der Nähe als Schwarzbären erweisen. Das Highlight dieser Fahrt ist einfach die beeindruckende Landschaft. In Lilooet einer größeren Stadt müssen wir einkaufen und übernachten bei Walmart. Nach Lillooet kommt eine bekannte Strecke. Wir folgen dem Hwy 99 bis zur historischen Hat Creek Ranch und passieren die Stelle wo wir unseren Abwasserschlauch abgerissen haben. Hier biegen wir auf die legendäre "97" dem Cariboo Hwy nach Norden ab. Zur Zeit des Fraser und des Cariboo Goldrushes wurde von Lillooet aus, zur damaligen Zeit eine der größten Städte nördlich von San Francisco, die Cariboo Wagon Route gebaut. Entlang der Strecke entstanden sogenannte Roudhouses, aus denen viele Ortschaften entstanden. Die Bezeichnung dieser Roudhouses richtete sich nach der Entfernung zu Lillooet. Von 70 Miles House, 100 Miles House usw. Es gab aber auch Namensänderungen, so wurde aus 47 Miles Roudhouse das heutige Clinton.
In Clinton erleben wir wieder die Vorliebe der Kanadier für alles Alte. Trödelladen reiht sich an Trödelladen. Es werden überwiegend Gegenstände aus der Pionierzeit angeboten. Ausgediente Kutschen, Sättel und Kochgeschirr aus Blech. Die Bewohner bereiten sich langsam auf die Saison vor, selbst großflächige Wandbilder werden an der Straße angemalt.
Der Ort Quesnel liegt am Zusammenfluss von Fraser und Quesnel River. Angedacht war eigentlich ein Abstecher in das 80 Km entfernte Barkerville. Wie wir erfahren öffnet das historische Goldgräberstädtchen seine Toren erst in 2 Wochen. Na ja, aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Je weiter wir gen Norden fahren um so ruhiger wird es. Kaum Autoverkehr, keine größeren Ortschaften. Wir genießen die langsame Fahrt, schauen nach Tieren und können von der Natur nicht genug sehen. Die Sonne scheint, im Radio erklingt Country Musik und wir singen mit. Wir profitieren von der spärlichen Vegetation am Straßenrand. So manches Tier, sprich Bär, wäre uns mit Sicherheit sonst verborgen geblieben. Zu beiden Seiten der Straße ist das Gras auf einer Breite von mehreren Metern abgemäht. Für Mensch und Tier zum Vorteil. Das Wetter ist zu schön um zu fahren. Nach 195 Km ist Schluß. Wir biegen links in eine Stichstraße ab und stehen vor einem wunderschönen Lake. Wir sind im Crocket River PP. Der Campingplatz ist ein Traum und genau richtig um 2 Tage zu entspannen. Wir chillen in der Sonne, sitzen abends am Lagerfeuer, sehen zu wie das Fleisch brutzelt und lassen den Tag mit kanadischem Whisky ausklingen. Was wollen wir mehr.
Prince George ist das wichtigste Zentrum für den weniger besiedelten Norden. Der 1807 durch den Entdecker und Pelzhändler Simon Fraser gegründete Ort ist heute ein Knotenpunkt für alle Kanada Reisenden. Von Süden geht es über die "97" nach Norden zum Yukon und auf dem Yellowhead Hwy von Ost nach West. Die Stadt lebt von der Holzverarbeitung. Besonders die Papiererzeugung hinterläßt ihre Spuren in Form unangenehmer Gerüche. Es stinkt buchstäblich zum Himmel. Wir nutzen den Aufenthalt zu einem Großeinkauf bevor es weiter in die abgeschiedenen Regionen Kanadas geht.
Chetwynd, das einstige Bergbaustädtchen ist bekannt für seine mit Kettensägen geschnitzten Skulpturen. Ab hier haben wir 2 Möglichkeiten um weiter in den Norden zu fahren. Wir entscheiden uns für die landschaftlich reizvollere Variante und verzichten auf das Schild in Dawson Creek mit der Aufschrift "Milepost 0" des Alaska Hwy. Für uns geht es weiter auf dem Hwy 29 am Peace River entlang über Hudson`s Hope, Farrell Creek und Attachie wo wir nördlich von Fort St John auf den Alaska Hwy stoßen. In Hudson`s Hope erfreuen wir eine Angestellte des Museums und der Touristeninformation. Sie ist vor Begeisterung nicht zu bremsen und hält uns lange Vorträge über Geschichte und Gegenwart des Ortes. Eingedeckt mit zig Informationen treten wir ohne länger zu bleiben die Weiterreise an. In den letzten Tagen verging kein Tag ohne Bären gesichtet zu haben. Und das sollte so weiter gehen.
Mit dem Bau des Highways wurde 1942 begonnen. Die in Dawson Creek, Whitehorse und Delta Junction/Alaska gleichzeitig gestarteten Bautrupps trafen sich nach nur 6 monatiger Bauzeit im September am deshalb so benannten Contact Creek.
Der Alaska Highway ist ca. 2230 Km lang und feiert in diesem Jahr seinen 75 Jahrestag. Das schönste auf den ersten Kilometern des Alaska Hwy ist die ruhige Fahrt ohne spektakuläre Eindrücke. Meistens geht es schnurgerade immer auf und ab. Wir fahren durch eine dichtbewaldete Landschaft, wobei etliche Wälder abgebrannt sind oder dem Kahlschlag zum Opfer geworden sind. In weiter Ferne können wir bei Pink Mountain die schneebedeckten Rockies erkennen. Ein Elch überquert in sicherer Entfernung bei strömenden Regen die Straße. Der Regenschauer hält nicht lange an. In Fort Nelson besorgen wir uns die Mile Post, die wir, wie wir später feststellen so gut wie nie benötigen. Die Landschaft verändert sich und wird spektakulärer. Es geht hinauf auf den 1295 hohen Summit Lake Pass. Eine kurvenreiche Strecke mit immer wieder anderen tollen Eindrücken.
In windiger Höhe, am Summit Lake Pass, finden wir eine Übernachtungsmöglichkeit. Wir stehen wieder einmal alleine in der Natur, sind deswegen aber alles andere als traurig. Vom Auto aus sehen wir die schneebedeckten Gipfel der nördlichen Rockies und vor uns liegt der noch zugefrorenen See. Eine Kurzwanderung zum Summit können wir leider nicht starten, da der Weg noch nicht zugänglich ist. Wir stehen im Stone Mountain PP, einem Platz zum Verlieben. Die meisten der 28 Plätze sind noch mit Schnee bedeckt. Da es draußen zu kalt und windig ist setzen wir uns in die Fahrerkabine und genießen bei einem Glas Rotwein still diesen einmaligen Ausblick. Verstohlen wischt sich Silvia eine Träne fort. Es ist aber auch wirklich zum Heulen schön. Wie uns der Ranger am Abend mitteilt konnte man im vorigen Jahr zur selben Zeit, bei Temperaturen von 25 °, auf dem See paddeln. Seine Aussage es wären nur wenige Tiere zu sehen können wir nicht bestätigen. Mit dem was wir sehen sind wir voll und ganz zufrieden.
Direkt hinter der nächsten Kurve wartet der nächste Bär. Es gibt zwei Gründe warum wir im weiteren Verlauf der Strecke nicht voran kommen. Die Tiere und die phantastische Landschaft. Je näher wir dem Yukon kommen um so besser wird es. Hinter jeder Kurve ein neuer Höhepunkt. Mal sind es die immer wieder anders aussehenden beeindruckenden Berge. Dann die Seen, die türkisfarben in der Sonne leuchten. Wir sehen Bisons, Dickhornschafe, Elche, Bären und zu unserer Verwunderung den ein oder anderen Radfahrer. Ein Fotostopp folgt dem anderen. Am Muncho Lake, nicht weit vom Stone Mountain PP entfernt, hören wir das Eis auf dem See knacken und sehen wie es langsam in der Sonne dahinschmilzt.
Das erste Hinweisschild "Bisons" liegt eine Weile zurück. Bislang sahen wir nur die Hinterlassenschaften auf der Straße. Der hier beheimatete Waldbison ist dunkler, zotteliger und hat einen höheren Buckel als der Prärie Bison. Der Bestand hat in den letzten Jahren immer mehr abgenommen, teilweise wegen Kollision mit den Fahrzeugen. Deswegen sah man sich gezwungen wieder mehr Tiere auszusetzen. Ein beliebtes Ausflugsziel der Kanadier sind die Liard Hot Springs. Wir gehen auf Planken zu dem heißen Alpha Pool im Wald. Schwefelgeruch strömt in unsere Nase. Das Wasser hat eine Temperatur von 42°-45°. Vor uns grast ein junger Elch und läßt sich von uns nicht stören.
Die Stadt Watson Lake wird auch als das Tor zum Yukon genannt. Bekannt ist der Ort vor allem durch seinen Sign Post Forest. Das 1. Schild wurde 1942 von einen heimwehkranken Soldaten aufgestellt. Heute umfasst er Schilder von Touristen aus aller Welt. Unsere Vorbereitung war schlecht denn wir haben nur das Schild
"Don`t hurry" was wir nicht abgeben möchten.
Wir sind im Yukon, dem Land der Trapper, Goldsucher und Abenteurer angekommen.
Unser persönliches Abenteuer geht weiter. Wir wollen noch bis Dawson hoch um uns dort mit Stefan und Yasmin zu treffen.