Von Seward über Valdez nach Kanada Hwy 2

Von Seward geht es den gleichen Weg zurück bis kurz vor Wasilli. Dort biegt der Glenn Hwy nach Osten ab, der Anchorage mit dem Richardson Hwy verbindet. Heute gab es kein Frühstück und gegen 12 Uhr hängt uns der Magen in den Kniekehlen. Direkt am Hwy liegt die Tesoro Mall, klein und überschaubar. "Ihr müßt in die Coast Pizzeria gehen" heißt es, die machen die leckersten Sandwiches. Wir lassen die Angestellte gewähren und haben ein opulentes leckeres Sandwich mit Pommes.

Hinter Palmer gibt es einen Abzweig, die Fishhook Rd, die weiter zum Hatcher Pass führt. Auf der Hatcher Pass Public Use Area bleiben wir stehen und machen  Wanderungen am Flusslauf entlang. Die Büsche rings um uns herum tragen im Sommer reichlich Früchte, die bei Bären und Einheimischen sehr begehrt sind. Heute erfahren wir etwas über die laxen Waffengesetze in USA/Alaska. Das offene Tragen von Schusswaffen ist erlaubt. Wir staunen nicht schlecht als uns Männer und auch Frauen mit umgeschnallten Colts entgegen kommen. Entweder westernmäßig an der Hüfte oder vor die Brust geschnallt. Angeblich zum Schutz vor Bären. Innerhalb der Parks sind die Tiere geschützt, aber sobald sie die Grenzen überschreiten darf auf sie geschossen werden. Ich hoffe sie wissen instinktiv  wie weit sie unbeschadet gehen dürfen. Am nächsten Tag Nieselregen und dichter Nebel. Die schmale Schotterstraße windet sich immer höher. Oben im unwegsamen Gelände befindet sich der Independence Mine State Park. Kurz vor der verfallenen Mine und dem alten Goldgräberdorf gibt es eine kleine Ansammlung von Hütten und ein Gasthaus. Auf Trails gehen wir durch den Ort bis zu einem alten verschlossenen Stollen. Die Förderanlage ist völlig zerstört aber einige der Häuser machen zumindest von außen einen passablen Eindruck. Bis 1942 wurde hier nach Gold gesucht. Was heute eine Geisterstadt ist war damals Heimat vieler Goldgräber mit ihren Familien. Bei dem schlechten Wetter können wir uns gut vorstellen unter welchen Bedingungen die Bewohner leben mußten. Da haben wir es besser. Wir wärmen uns im Restaurant auf, essen genüßlich einen Apfelkuchen und begeben uns frisch gestärkt zum Gold waschen. Wir haben keine Waschpfanne, wissen uns aber zu helfen. Das biegsame Kehrblech und ein mini Schüppchen müssen reichen. Das Wasser ist lausig kalt. Ich versuche in dem Dreck glitzernde Stückchen mit dem Finger zu erwischen. Klappt aber nicht. Die Bröckchen sind so winzig, daß ich mir nicht mal sicher bin ob es überhaupt Gold ist. Außer eiskalten Fingern und sehr viel Spaß kommt nichts dabei herum. Wir müssen weiterhin mit Dollar zahlen. 

Die Fahrt weiter den Pass hinauf hätten wir uns sparen können, er ist noch gesperrt. Also geht es den gleichen Weg bis zum Glenn Hwy zurück. Auf dem Weg liegt die Musk Ox Farm, wo die 1930 aus Grönland wieder eingeführten Moschus Ochsen gezüchtet werden. Wir sehen uns die Außenanlagen an, nehmen aber an einer der völlig überteuerten Führungen nicht teil. Vom hochgelegenen Hwy haben wir während der Fahrt einen tollen Blick auf den in der Ferne liegenden Matanuska Gletscher. Die Fahrt zum Gletscher führt über Privatgelände, was sich die Besitzer gut bezahlen lassen. Vom Eureka Summit auf 1013 Meter Höhe haben wir eine weitere großartige Sicht auf den Nelchina Gletscher. Bei Glennallen erreichen wir den Richardson Hwy der nach Valdez führt. Bei Copper Center ist für heute Schluß. Wir stehen auf einem urigen Camp mit einem verheißungsvollem Namen. "King For A Day".

Genau so möchte ich mich einmal fühlen, als King for a Day. Wenn es schon mit dem Gold waschen nicht geklappt hat, vielleicht klappt es mit dem Angeln. Zuerst muß ich eine Angellizenz für Alaska erwerben und mich registrieren lassen. Das kostet. Dann kommen dazu noch die Gebühr für den Trip und die Benzinkosten. Mit 225 $ bin ich dabei. Hübsches Sümmchen. Wenn ich aber mit einem Fisch, stolz wie Oskar, zurückkomme soll es mir recht sein. (wie teuer sind Fische im Laden)? Natürlich bin ich nicht richtig angezogen und ich muß mich in ein Ganzkörperkondom zwängen. Mit von der Partie ist Alex Ehefrau die uns zum Ausgangspunkt der Tour bringt. Über eine abenteuerliche Piste, dem Klutina Lake Trail, geht es flußaufwärts zur Anlegestelle. Bevor wir das Schlauchboot ins Wasser lassen müssen wir Mückenspray auftragen. Fehlt nur noch die Schwimmweste. Jetzt bin ich in meinen Bewegungen so eingeschränkt, daß ich Probleme habe einigermaßen geschmeidig ins Boot zu kommen. Auf einer regelrechten Raftingtour geht es durch Stromschnellen flußabwärts. Dann der 1. Stop. Ich stehe bis zu den Knien im Wasser halte die Angelrute so wie der Guide es wünscht. Schnur ins Wasser und wieder heraus holen. Immer die gleichen Bewegungen. Mein linker Arm wird lahm. Fische sehen wir, es will aber keiner anbeißen. Nächste Etappe, nächster Stop. Das gleiche Spiel wieder ohne Erfolg. Mir wird allmählich langweilig. Um meine Anspannung aufrecht zu halten drückt mir Alex das Bärenspray in die Hand und meint er kommt gleich wieder. Es gibt zwar Schwarz und Grizzlybären hier aber es wird schon keiner kommen. Weg ist er und ich stehe mit der Angelroute allein in der Wildnis. Langweilig ist mir nicht mehr. Der Fisch ist mir egal ich schaue mir lieber die Gegend genauer an. Beim nächsten Stop führt er mich Michelinweibchen zu einer alten Fischer und Jägerhütte. Ein Bretterverschlag mit einer Liegepritsche, das war es. Wie könnte es anders sein. Wir fahren ohne Fisch ins Camp zurück. Dort erwartet uns Silvia, zwar nicht mit der Pfanne in der Hand aber mit grenzenloser Hoffnung auf ein leckeres Abendessen. Ich weiß nicht ob die Nachbarn im Camp mehr Glück hatten. Fazit: Kein Gold, kein Fisch, aber viel Spaß.

Auf dem Richardson Hwy bis Valdez sind es noch 105 Meilen. Es geht durch eine phantastische, abwechslungsreiche Landschaft die immer wieder zum Anhalten zwingt. Rechter Hand liegt der Worthington Gletscher, dem wir auf einer Wanderung über Geröllhalden, Schotter und Felsen immer näher kommen. Irgendwann wissen wir nicht mehr ob der Weg noch sicher ist. Vor uns zeigt sich, daß unter dem Geröll blaues Eis durchdringt. Spätestens jetzt ist Schluß mit der Wanderung. Einige Kilometer weiter sehen wir den Gletscher von der anderen Seite. Wir stellen immer wieder fest, daß sie aus der Ferne imposanter erscheinen. Je näher wir kommen um so weniger sehen wir.

Es geht hinauf in die Chugach Mountains. Wir passieren den Thompson Pass, wo im Winter Schneerekorde gemessen werden. Es ist windig und kalt als wir an der Blueberry Lake State Recreation einen kurzen Spaziergang einlegen. Der Anblick der Chugach Mountains ist überwältigend. Bevor wir Valdez erreichen durchfahren wir den Keystone Canyon des Lowe River mit seinen Bridal Veils Falls. Während der ganzen Fahrt sehen wir immer mal wieder die 1287 Km lange Trans- Alaska Pipeline die von Prudhoe Bay bis zum eisfreien Hafen nach Valdez verläuft. Im März 1989 lief der Supertanker Exxon Valdez wegen eines Navigationsfehlers südlich von Valdez auf ein Riff. 41 Mio Liter Rohöl ergossen sich in den Prince William Sound. Von der Umweltverschmutzung ist heute zum Glück nichts mehr zu sehen. Wir erreichen Valdez erst am Nachmittag, kaufen schnell noch ein bevor wir nach einer Übernachtungsmöglichkeit suchen.

Wir stehen wie wir glauben am besten Platz von Valdez. Vor dem Office der Lu Lu Belle, mit der wir übermorgen auf dem Prince William Sound fahren wollen. Heute nutzen wir die Zeit für einen Bummel durch den Ort. Im Hafen liegen die Yachten vor Anker und überall stehen überdachte Tische mit Duschanlage zu Fischverarbeitung. Hoch oben am Himmel sehen wir Weißkopfseeadler die ihre Kreise ziehen. Valdez mit seinem malerischen Yachthafen gefällt uns besser als Seward. Die vielen kleinen Cafés und Restaurants sind gut besucht. Kein Wunder denn heute ist es relativ warm und die Sonne scheint. Während wir noch Ausschau nach einem freien Platz halten laufen uns Stefan und Yasmin über den Weg. Sie kommen gerade von der Lu Lu Belle und sind hellauf begeistert. Wir lassen zusammen den Tag bei einem Glas Wein ausklingen und machen dabei die Bekanntschaft eines Ehepaares aus Norddeutschland. Der nächste Tag ist mit Wanderungen in der näheren Umgebung, putzen und Kuchen backen und etwas relaxen ausgefüllt. Valdez wurde 1898 auf Grund des Goldrausches gegründet. Von hier aus begaben sich die Goldsucher auf den Valdez Trail Richtung Klondike. 1964 zerstörte das sogenannte Karfreitagsbeben und die nachfolgende Flutwelle die Stadt fast vollständig. 1989 zu guter letzt die Umweltkatastrophe durch die Exxon Valdez.

Jeden Abend gegen 18 Uhr ist Essenzeit. Nicht für uns, sondern für die Adler. Von einem Campingplatz aus werden sie mit Fischresten angefüttert. Sie scheinen zu wissen was kommt, denn nicht nur die Schaulustigen stehen rechtzeitig bereit sondern auch die Adler sitzen schon hungrig in den Bäumen. Sobald die ersten Brocken in die Luft fliegen geht der Kampf und die Jagd nach dem Fisch los. Weißkopfseeadler, Gold Eagles und Möwen kreisen durch die Luft und stürzen sich auf die Beute. Die Größe der Vögel mit ausgebreiteten Schwingen ist enorm. Mit ihren messerscharfen Krallen greifen sie den Fisch und schrauben sich wieder nach oben.

Wir fahren mit der Lu Lu Belle einer schnellen, wendigen Yacht in den Prince William Sound hinaus. Mit an Bord Kapitän Fred, zwei Crewmädels und weitere Touristen. Noch bevor wir das Hafenbecken verlassen tauchen vor uns die ersten Otter auf. Sie liegen faul auf dem Rücken, die "Hände" vor der Brust gefaltet und chillen. Von Yasmin und Stefan hatten wir folgende Hinweise erhalten. Zieht euch warm an, es wird kalt und der Kapitän redet wie ein Wasserfall. Beides stimmt hundertprozentig. Zu Beginn der Fahrt sitzen alle Teilnehmer noch draußen. Das ändert sich aber schnell sobald das Boot Fahrt aufnimmt. Während immer mehr Gäste in die warme Kabine flüchten holen wir unsere gefütterten Hosen und die Regenmäntel aus den Rucksäcken. Der Wind pfeift um unsere Ohren, die Gischt spritzt auf und mit Volldampf geht es in den Sound hinaus. An einer Mole sehen wir die ersten Robben und in einiger Entfernung taucht eine Wasserfontäne auf. Wal in Sicht, er bläst. Bevor wir da sind ist er über alle Berge sprich in den Tiefen des Meeres verschwunden. Wir steuern auf eine Seelöwenkolonie zu und vor uns liegt ein Knäuel aus Seelöwenleibern. Die Bullen kämpfen um ihr Revier oder bauen sich protzend vor uns auf. Bei dem Gegröle der Seelöwen muß Fred seine Stimme erheben um sich Gehör zu verschaffen. In der Grotte die wir im Verlauf anfahren sind leider keine Puffins/Papageientaucher zu sehen. Nach dieser Extraschleife geht es zurück in einen Seitenarm und wir nehmen Kurs auf den Columbia Gletscher.

Vor uns tauchen die ersten Eisschollen auf und sofort drosselt der Kapitän den Motor.  Gemächlich manövriert er die Yacht durch das Eis. Mal schimmert es blau, dann erscheint es durchsichtig, ist schneeweiß oder mit Schmutz bedeckt. Bei manchen Schollen sehen wir wie tief sie in das dann eisblaue Wasser reichen. Um uns herum hören wir es knistern und sehen wie das Eis bei der Durchfahrt zerbricht. Bei manchen Eisschollen können wir mit etwas Phantasie Tiere und andere Gebilde erkennen. Nach und nach tauchen die anderen Gäste wieder auf und zusammen lassen wir den imposanten Columbus Gletscher an uns vorbeiziehen. In sichere Entfernung halten wir. Eine nähere Anfahrt wäre bei einem Kalben des Gletschers zu gefährlich. Die aufkommende Flutwelle wäre in der Lage die Yacht zum Kentern zu bringen. Jetzt kommt ein Fotoshooting wobei sich jeder der will eine Nikolausmütze aufsetzen darf. Die Amerikaner wollen, für uns geht es auch ohne.

So, das war es denken wir. Ab nach Hause. Außer uns verschwinden alle unter Deck. Fred hält den Daumen hoch und lächelt uns an. Endlich keine Weicheier an Deck. Sobald wir den Seitenarm verlassen dreht er den Motor hoch, wir durchpflügen die Wellen um dann abrupt zu stoppen und den Kurs zu wechseln. Delphine in Sicht. So schnell wie sie schwimmen kommen alle anderen Gäste aus der warmen Kabine an Deck. Pfeilschnell schwimmen sie neben uns her, tauchen unter die Yacht, sind mal rechts mal links. Rufe werden laut. Rechts, nein links, da vorne, schaut nach hinten. Das Fotografieren wird zu einer Glücksache. So schnell wie sie aufgetaucht sind verschwinden sie. Dafür wird ein Wal gesichtet, genau genommen die Wasserfontäne. Das Katz und Maus Spiel beginnt. Wal taucht auf, wir hin, Wal ist weg und taucht an anderer Stelle wieder auf. So geht es eine ganze Weile. Wir lassen den Wal in Ruhe oder er uns, je nachdem wie man es nimmt. Die Tour in den Prince William Sound sollte ca. 5 Stunden dauern. Wir gehen aber erst nach knapp 9 Stunden an Land. "Silvia, ab ins Warme, mir ist kalt. Glühwein wäre nicht schlecht". Ja, ich gebe es zu. Mir ist kalt

,An eine Weiterfahrt ist heute nicht zu denken. Am Office wollen wir eine zusätzliche Nacht buchen, dürfen aber kostenlos bleiben. Das nennen wir Service oder ist unsere Schwärmerei über Fred und die Tour der Grund?

Angedacht ist ein Abstecher über die Alaska Route 10 nach Carthy, doch wir kommen nur bis Chitina. Ab da existiert nur ein Schotterweg der momentan im schlechten Zustand ist. Wir gehendes Risiko nicht ein sondern wählen stattdessen den Old Richardson Hwy nach Copper Center. Der alte Handelsposten wurde kurz vor dem Goldrausch gegründet. Kurze Kaffeepause und dann gen Norden durch das Hinterland. Es gibt keine Siedlungen sondern vereinzelt stehende Häuser. Die meisten haben eines gemeinsam. Einen Autoschrottplatz vor der Haustür. Vergebens suchen wir nach dem Grizzly Bear Campplatz. Die Angabe in der All Stays App stimmt nicht. Stattdessen landen wir in dem mit einer feudalen Sanitäranlagen ausgestatteten Ranch Camp. 

Die letzte Etappe auf dem Glenn Hwy ist zwar landschaftlich interessant aber ohne nennenswerte Höhepunkte. Den Wrangell NP besuchen wir nicht sondern fahren direkt weiter über Tok zum Lakeview Camp. Ein kostenloser Platz an einem herrlichen See auf dem wir Biber sehen. Leider kommt ein Gewitter auf. Ich sitze abends ausgestattet mit dem Regenschirm vor dem Grill um unsere Sparerips vor dem Regen zu schützen. Zum ersten mal begegnen uns deutsche Touristen, die mit den hiesigen Platzverhältnissen nicht zufrieden sind. Uns gefällt es hier s..... gut. Morgen werden wir nach 43 Meilen die Grenze zu Kanada erreichen. 

Die Ausreise nach Kanada verläuft ohne Probleme. Auf US/Alaska Seite keine Kontrolle. Wir fahren direkt zum kanadischen Grenzposten. Hier die üblichen Fragen nach wohin, woher und ob wir verbotene Gegenstände/ Lebensmittel mitführen.