Endlose Prärie, Straßen wie mit dem Lineal gezogen, von Grasland, Wiesen und Feldern eingerahmt. Wir fahren eine der vielen Schotterstraßen, die an einen alten Hitchcock Film erinnert. Nur daß es hier keine Maisfelder gibt. Dafür steht ein Kojote zwischen den Kühen auf der Weide. Was auf einer Kanada Karte wie ein dichtes schachbrettartiges Straßennetz aussieht ist in Wirklichkeit eine Ansammlung von Landstraßen, überwiegend mit Schotterbelag, die scheinbar im Nirgendwo enden. Die angegebenen Ortschaften bestehen lediglich aus wenigen Häusern oder nur aus einer größeren Farm. In diese Gegend verirrt sich, aus Mangel an Sehenswürdigkeiten, so gut wie kein Tourist. Nur wir schlucken den durch jede noch so kleine Ritze eindringenden Staub. Es ist heiß und trocken. Entgegenkommende Autos erkennen wir vom Weiten an der riesigen Staubwolke. Ein mächtiger Bulle, der für ein Rodeo zu alt und müde aussieht, schaut uns gelangweilt hinterher und denkt sich seinen Teil.
In Medicine Hat angekommen geben wir die Suche nach einem geeigneten Campground schnell auf denn sie liegen alle weit außerhalb der Stadt. Walmart bleibt uns erspart, denn direkt am Stampede Gelände sind die Free Parking Plätze geöffnet und kein "No Overnight" Schild ist zu sehen. Also warum nicht gleich hier vor Ort bleiben? Mutterseelen allein stehen wir auf dem riesigen Platz und das Schönste ist, wir werden nicht gestört. Na ja, so ganz alleine sind wir nicht. Der Boden ist wie ein Schweizer Käse durchlöchert und es wimmelt von Erdmännchen. So lange sie uns in Ruhe lassen haben sie von uns nichts zu befürchten.
Stampede, auf deutsch Ansturm, bezeichnet ursprünglich eine Fluchtbewegung innerhalb einer Tierherde. In Kanada bezeichnet Stampede auch ein Volksfest mit Rodeo und Umzügen. Wir blicken geradewegs auf das eingezäunte Festgelände wo die Kirmesbuden und Fahrgeschäfte bereits aufgebaut sind. Für heute reicht die Zeit nur noch um das riesige Areal von außen zu besichtigen.
Am nächsten Morgen haben wir Glück, denn das Tor für den Service Bereich ist geöffnet und wir dürfen den Platz inspizieren bevor der eigentliche Rummel losgeht. Dabei entdecken wir ein Sanitärgebäude wo wir duschen und uns vom Schweiß / Staub Gemisch befreien können. Welch ein Luxus.
Pünktlich um 12 Uhr stehen wir in der Schlange vor den Kassenhäuschen in der prallen Sonne. Wir hoffen noch 2 Karten für das morgige Rodeo zu ergattern. Die Show ist nicht ausverkauft und wir gönnen uns Premium Karten mit bestem Blick auf das Geschehen.
Volksfest oder Kirmes wird in Kanada anders gefeiert als bei uns. Alles geht recht gesittet zu. Keine laute Musik, keine ausgelassene Stimmung, keine Budenbesitzer die lauthals zum Fahren auffordern, sondern es ist ausgesprochen ruhig. Am ersten Stand schauen wir nicht schlecht als wir mehrere Badelandschaften mit Whirlpools sehen worin eine ganze Fußballmannschaft Platz hätte. Leider ohne Wasser.
Fressbuden mit Tacos, Popcorn, Hot Dogs, Kartoffelchips und diverse Getränke wie Saft, Cola und Wasser. Nur kein Alkohol. Gibt es hier kein kühles Bier?
Auf einigen Bühnen wird Live Musik gespielt. Von Rock bis Country ist alles vertreten. Schnell haben wir eine Lieblingsband gefunden. Unser Favorit ist die Kickstart Band mit Country Musik. Wir schauen uns eine Weile ein Hunde Hindernislauf an, wo von Dogge bis Pinscher alle Rassen vertreten sind. Das Ergebnis: Die Hunde rennen meistens in die falsche Richtung, die Besitzer hinterher und sind außer Atem. Der Hund bekommt ein Leckerli und der Besitzer den Applaus. Jetzt bekommen die Erdmännchen doch noch ihr Fett weg. Silvia und ich liefern uns an einer Bude ein Kopf an Kopf Rennen. Immer wenn eines der possierlichen Tiere den Kopf aus dem Loch hält schlagen wir drauf. Silvia gewinnt und bekommt einen Affen, den sie postwendend einem kleinen Mädchen schenkt. Im hinteren Bereich des Platzes darf natürlich ein historisches Viertel nicht fehlen. Wir besichtigen eine alte Schule, eine Post, einen Lebensmittelladen und stehen vor einer Tankstelle aus den 50 er Jahren mit einem ebenso alten Cabrio, in dem wir mit Vergnügen davongebraust wären. Doch der stolze Besitzer hat ein wachsames Auge auf auf seinen Schatz und ahnt unsere Absicht.
Silvia findet fast alles, außer meine Aldi Sim Karte fürs I Phone, die ich statt der kanadischen Sim Karte von Rogers demnächst wieder einlegen muß. Diese Suche geht weiter. Die Suche nach einem kühlen Bier hat ein Ende. Wir müssen nur noch bis 19 Uhr warten. Dann öffnet die Higdon Hall. Geld und wichtig Personalausweis haben wir mit. Ohne Ausweis geht gar nichts. Wir werden von 2 Security in Empfang genommen, weisen uns aus und erhalten ein Armbändchen. Jetzt sind wir "Drinking Age Verifiziert" , mit anderen Worten, alt genug um zu saufen und dürfen in die geheiligte Halle. Die Getränke Marken besorgen wir uns bei einer freundlichen Dame. Eine Marke für 5,75 $ gleich ein Bier. Das Bier gibt es am Ende der Halle wo wir Schlange stehen. Mit dem Bier gehen wir in den Außenbereich, der noch recht leer ist. Nur noch den Nippel aus der Lasche ziehen und Prost. "Silvia, wir werden beobachtet, benimm dich". Gleich mehrere Security Männer, wir kennen sie als Rausschmeißer, beobachten die Gäste. Jeder, der zu laut wird oder scheinbar zu viel getrunken hat wird ermahnt. Die Gefahr besteht bei uns nicht aber ist schon merkwürdig. Wir sitzen gemütlich bei unserem Bier und ich habe das Bedürfnis eine Zigarette zu rauchen. Das darf ich, nur nicht dort wo getrunken wird. Zum Rauchen muß ich in den "Rauchbereich" gehen wo auch sinniger weise die Toilettenhäuschen aufgestellt sind. Das Bier darf ich nicht mitnehmen sondern ich muß es im "Trinkbereich" stehen lassen. Ein Schild ermahnt: NO ALKOHOL BEYOND THIS POINT!
Der Abend endet für uns mit einem Feuerwerk, das wir uns vom Auto aus ansehen können, doch die Kanadier gehen ungeachtet des Feuerwerkes weiter und interessieren sich nicht dafür. Noch vor Mitternacht kehrt Ruhe ein. Die letzten Autos verlassen den Platz aber nicht ohne gehörigen Staub aufzuwirbeln.
Heute ist der große Tag und der beginnt mit einem Umzug durch die Stadt. Wir marschieren immer an der Straße entlang und erreichen nach einer Stunde das Zentrum. Die Straßen sind noch leergefegt aber das ändert sich schnell. Ausgestattet mit Klappstühlen, Decken und Getränken machen sich immer mehr Bewohner auf den Weg um ein gutes Plätzchen zu ergattern. Böllerschüsse künden den Beginn der Parade an. Während wir Ausschau halten und die ersten Reiter am nahe gelegenen South Saskatchewan River vorbeiziehen sehen starren die auf den Klappstühlen sitzenden Kanadier auf ihre Handies. Zwei findige junge Frauen bieten Erfrischungsgetränke an, was bei der Hitze eine sehr gute Idee ist.
Das Polizeiauto mal ausgelassen, wird die Parade von der diesjährigen Rodeo Queen angeführt. Bullenreiter, Cowboys, Pferdewagen wechseln sich ab mit Musikbands, Clowns und Gymnastikgruppen. Keine Parade ohne Militär, Landwirtschaftsfahrzeugen und honorigen Stadtbewohnern, die ebenso wie die Veteranen in Cabrios sitzen und hin und wieder der Masse zuwinken. Jede Firma nutzt die Gelegenheit für Reklame. Wir sehen einen über alles strahlenden Mounty und später direkt hinter dem letzten Pferd eine Straßenkehrmaschine, die die Pferdeäpfel beseitigt. Kaum daß der letzte Wagen vorbei fährt, werden die Stühle zusammen geklappt, Decken und Kinder eingesammelt und nichts erinnert mehr an die Parade. Keine Pferdeäpfel und kein weggeworfener Unrat. Alles ist blitzblank.
In einer Nebenstraße finden wir ein kleines Restaurant mit Garten und holen ein verspätetes Frühstück nach. Es gibt Pankakes mit Speck für mich und für Silvia mit Sirup. Statt zu Fuß den Weg zum Stampede Platz hoch zu laufen nehmen wir für den Rückweg den Bus. Die Linie 30 bringt uns direkt zum Gelände der Stampede und wir haben gerade noch genügend Zeit um uns frisch zu machen bevor das Rodeo beginnt.
150 Jahre Kanada, 30 Jahre Stampede in Medicine Hat und in diesem Jahr mit uns. Wenn das kein Grund zum Feiern ist. Die Show beginnt mit einer Darbietung der Skyhawks. Nacheinander gleiten die acht Fallschirmspringer punktgenau in die Arena, wobei einer das Ziel verfehlt und in der Pferdebox landet. Anschließend stehen sie in Reih und Glied und salutieren vor dem tief vorbeifliegenden Militärflugzeug, das sie vorher in die Lüfte getragen hat. Nach zwei kurzen Ansprachen und der Hymne "God Safe the Queen" geht das Spektakel los. Ladies first. Die Cowgirls machen den Anfang und mit einer Kanadaflagge galoppieren sie durch die Arena. Die Darbietung ist phänomenal. Die Pferde strotzen nur so vor Kraft. Im Anschluß daran kommt das eigentlich zweifelhafte Vergnügen des Rodeo.
Vorne weg, noch einmal werden wir uns ein Rodeo nicht mehr ansehen. Was wie ich zugebe nicht nur bei Kanadiern sondern auch bei uns Begeisterungsstürme auslöst ist im Grunde eine Tierquälerei. Trotzdem hat das zweifelhafte Vergnügen einen gewissen Reiz. Pferden und Bullen werden Stricke um den Bauch und die Leistengegend gebunden und machen sie so wild. Mit schmerzverzehrtem Gesicht versuchen sie den Reiter abzuwerfen. Sie bocken, springen im Stand mit allen Vieren hoch, gehen in die Knie oder schmeißen die Hinterläufe in die Luft. Speichel fließt aus dem Maul und hinten haben sie sich erleichtert. Erst wenn der Reiter am Boden liegt und die zwei Hilfscowboys die Gurte lösen beruhigen sich die Pferde und traben davon. Für andere Disziplinen wird ein Lasso benötigt. Die eingefangenen Kälber werden zu Boden geworfen, an den Beinen gefesselt oder müssen auf den Rücken gedreht werden. Bei allen Disziplinen spielt die Zeit eine Rolle. Zu unserer Freude gingen zumindest die Kälber häufig als Sieger hervor und ließen sich nicht fangen, dafür aber den Cowboy hinter sich im Dreck liegen. Der Höhepunkt der Veranstaltung ist das Bullenreiten, wobei die Reiter durch eine Weste, einem Zahnschutz und einem Helm geschützt sind.
Da ist die Darbietung der Cowgirls eher nach unserem Geschmack. Die Aufgabe besteht darin so schnell wie möglich um zwei Tonnen herumzureiten ohne diese umzuwerfen. Die Reitkünste lassen sich mit denen der Männer messen und sie scheinen mit den Tieren verwachsen zu sein. Mir tut der Allerwerteste schon vom Hinschauen weh.
Die Show ist vorbei, wir haben Hunger und Durst und außerdem ist der Mund staubtrocken. Wir gönnen uns eine Kartoffelchip Spirale und im Anschluß tauschen wir unsere letzten Getränke Marken ein. Im Gegensatz zu gestern ist sowohl die Halle als auch der Außenbereich rappelvoll. Wir gesellen uns zu den zünftigen Cowgirls und Cowboys und bemitleiden die Security Leute, die alle Hände voll zu tun haben. So mancher Gast kommt zumindest kurze Zeit unentdeckt mit seinem Bier in den Raucherbereich. Ein aufregender Tag geht zu Ende. Wir sitzen in aller Ruhe am Auto, beobachten die Leute und unsere Nachbarn die Erdmännchen, trinken ein letztes Bier mit Zigarette und kommen zu dem Entschluss: Staubwischen erst morgen vor der Weiterfahrt. Ist eh zwecklos.
Es geht zurück in die Rockies auf einer uns bekannten Strecke. Statt Schnee und Kälte wie zu Beginn unserer Reise sind wir jetzt von Sonnenblumenfeldern umgeben. In Fort Macleod, direkt am Oldman River, besuchen wir das gleichnamige Museum, das in den 1980 Jahren zu Albertas erster Provincial Historic Area ernannt wurde. Ursprünglich war es der erste Außenposten der North West Mounted Police im Westen Kanadas. Wir erfahren einiges über die schwierigen Lebensbedingungen der Siedler und First Nations und deren Konflikte. Eine abschließende Darbietung von Jugendlichen in der Gardeuniform des letzten Jahrhunderts rundet den Besuch ab.
Ganz in der Nähe der beschaulichen, lohnenswerten Stadt gibt es einen unscheinbaren Campground mit Pool. Eigentlich müßte ich Bilder löschen aber das Wasser hat eine zu starke Anziehungskraft. Die Arbeit kann warten, das Vergnügen nicht.
Wir fahren über die "2" von Süden kommend nach Calgary hinein. Da wo normalerweise die Rockies liegen sehen wir lediglich eine graue Wand. Im Einkaufszentrum Southcentre suchen wir nach dem Rogers Shop und ohne die elektronischen Wegweiser würden wir wahrscheinlich immer noch suchen. Ich werde wohl nie verstehen warum diese Centren so beliebt sind. Ich grause mich vor ihnen und bekomme regelmäßig Beklemmungen und will nur schnell wieder heraus. Doch erst muß die Angestellte für mich telefonisch meinen Vertrag kündigen. Eigentlich dürfte sie das nicht, aber mein Betteln hat sie erweicht. Meine Sprachkenntnisse sind dafür nicht ausreichend, zumal ich am Telefon immer nur die Hälfte verstehe. Rogers ist abgehakt, nichts wie raus aus dem Laden und raus aus Calgary. Die Natur ruft.
Entlang des Hwy 1, dem TCH, schlängelt sich auf einer Länge von 587 Km der Bow River, der seinen Ursprung im Bow Lake/Alberta hat. Mit dem Oldman River bildet er einen Zusammenfluss und fließ schließlich in den South Saskatchewan River. Wir übernachten auf dem Three Sisters Campplatz im Bow Valley Provincial Park Kananaskis. Morgen werden wir im Laufe des Vormittages Banff erreichen.
Die Rockies mit dem Banff und Jasper NP sind Kanadas Hauptattraktionen. Wir bekommen die negativen Auswirkungen des Massentourismus zu spüren. Schon weit vor Banff wird der zweispurige Hwy durch einen hohen Zaun eingefaßt. Die Wildtiere sind so vor der Autokarawane geschützt und werden über sogenannte Wildbrücken geführt. Die Stadt ist völlig überlaufen, Geschäft an Geschäft, und die Preise sind hoch. Die angenehme Atmosphäre, die Silvia vor Jahren noch erlebt hatte, ist verschwunden. Wir bahnen uns einen Weg durch die Menschenmasse, sehnen uns nach der Einsamkeit und Idylle des Yukon zurück und beschließen heute noch weiter zu fahren. Hätten wir doch im April trotz Wintereinbruch zuerst nach Banff statt weiter nach Osoyoos fahren sollen?
Vom TCH zweigt der Mt Norquay Scenic Dr ab, eine schöne Serpentinenstraße mit einem noch schöneren Überblick auf Banff und Umgebung. Bei besserer Sicht ist das Fairmont Banff Springs Hotel gut zu erkennen.
Die Fahrt auf der 1 A zum Lake Louise entschädigt uns ein wenig. Wir haben nicht das Gefühl eingesperrt zu sein. Die Landschaft ist beeindruckend. Doch in Lake Louise Village angekommen ist es noch schlimmer als in Banff. Wohin wir schauen Busse, Autoschlangen und Menschenmassen. Der Verkehr wird von Ordnern geregelt. Ranger versuchen verzweifelt die Autokolonne in Bewegung zu halten, was natürlich nicht funktioniert. Jedes Reh an der Straße hat einen Stau zu folge. Die Insassen steigen aus um ein Foto von sich und dem Tier zu schießen. Die Strassen zum Lake Louise und Lake Moraine sind schon in den frühen Morgenstunden wegen Überfüllung der Parkplätze gesperrt. Laut Berichten ist es bei den Wanderungen zu den Attraktionen, dem Lake Louise und Moraine Lake nicht anders. Man schwimmt mit der Menschenmenge. Einzig bei einer Kanutour auf dem Lake kann man den Massen entfliehen. Kosten 75 $ die Stunde. Ob Banff und Jasper nur auf Grund der 150 Jahresfeier so überlaufen sind oder in der Hauptsaison immer so viel besucht werden wissen wir nicht. Wir wollen nur eines, raus hier.
Wer wie wir die Weiten und die Einsamkeit Kanadas erlebt hat ist in den Rockies erst einmal geschockt. Wie schön war es doch auf leeren Straßen zu fahren, an einsamen Plätzen zu übernachten und nachts nur Besuch von Bären zu bekommen. Am Castle Mountain ergattern wir nach langer Suche einen Overflow Platz. Leider darf in den Nationalparks nur auf ausgewiesenen Campingplätzen übernachtet werden. Die 1A auch Bow Valley Pkwy genannt bis Lake Louise Village und der Icefields Pkwy Richtung Jasper sind, ungeachtet der Autokolonnen, ein Traum. Spontan am Straßenrand stehen zu bleiben ist jedoch nicht mehr möglich und nur mit Glück ergattern wir einen Platz für das Wohnmobil in einer der Parkbuchten.
Auf dem Icefields Parkway geht es weiter zum Bow Lake. Auf einer 4,5 Km langen Wanderung zum Bow Glacier Falls geht es zunächst am See entlang, wo sich einige Angler die Zeit vertreiben. Wir folgen durch ein Kiesbett dem milchig grünen Wasser der Gletscherschmelze und gelangen an eine kleine Schlucht, durch die sich das Wasser seinen Weg hinunter in den See bahnt. Hier befinden sich provisorische Stufen, wie für Riesen gemacht. Für kleinere Leute wie mich stellen sie eine Herausforderung dar. Am höchsten Punkt haben wir einen tollen Blick auf den Bow Gletscher und den gleichnamigen Wasserfall. Wir sind aber nicht alleine hier oben. Schwärme von Mücken peinigen uns und wir treten so schnell wie möglich den Rückweg an. Es geht den gleichen Weg zurück. Aus der Ferne ist das rote Dach der komfortablen Num-Ti-Jah Lodge zu erkennen. Ein weiterer lohnenswerten Stop ist am Bow Summit, wo wir durch blühende Wiesen zum Peyto Lake Viewpoint gehen.
Die Nacht verbringen wir wieder am Columbus Gletscher. Leider dürfen wir dieses mal nicht auf dem Platz direkt am Gletscher übernachten, sondern müssen zum offiziellen Parkplatz auf die andere Seite.
Am nächsten Tag schauen wir uns den Sunawapta Wasserfall an und unternehmen eine Wanderung im Valley of the 5 Lakes.
Auf der 7 Km langen Strecke reiht sich ein See an den anderen. Eine einfache Tour die lediglich zum Schluss einen kleinen Anstieg hat. Auf der gesamten Strecke durch die Rockies sind die Temperaturen auf Grund der Höhe um einiges niedriger. Ideal zum Wandern.
Wieder in Jasper. Dieses mal kein Smog, sondern freie Sicht auf die Berge. Der Ort gefällt uns auch wegen der Beschaulichkeit besser als Banff. Wir versuchen erst gar nicht einen Platz auf einen der zentrumsnahen Campgrounds zu bekommen sondern fahren direkt zum Snaring, der aber auch voll belegt ist. Wir weichen auf den Overflow einige Meter weiter aus.
Ein lohnenswerter Tagestrip ist die Fahrt auf der 45 Km langen Maligne Lake Rd, die zum gleichnamigen See führt. Vorher bietet sich ein Stop am Maligne Canyon an. Wir überqueren über insgesamt 5 Brücken den Canyon. Den tiefsten Punkt erreicht der Canyon an der 3. Brücke. An manchen Stellen verschwindet das Wasser und fließt unterirdisch weiter. Wer hinunter geht muß auch wieder hinauf gehen. Bei 32° eine schweißtreibende Angelegenheit. Am Medicine Lake sehen wir die Auswirkungen eines Waldbrandes von vor 2 Jahren und können uns ein Bild von dem machen was jetzt in weiten Teilen von BC los ist. Die durch Bäume von der Straße nicht einsehbare Parkbucht ist für heute Abend ein idealer Übernachtungsplatz. Der Maligne River, der vom Maligne Lake in den scheinbar abflusslosen Medicine Lake fließt, versickert in Karsthöhlen und taucht erst nach einigen Kilometern wieder auf. Dadurch ist der See im Winter häufig trocken und füllt sich erst wieder mit der Schneeschmelze. Am Maligne Lake bleibt uns noch etwas Zeit um auf dem Mary Schäfer Loop Trail am See entlang zu wandern. Die knapp 5 Km lange Strecke führt meistens am See entlang. Vor uns sucht ein junger Mann verzweifelt eine geschützte, nicht einsehbare Stelle um die Badehose anzuziehen. Ständig wird er von Wanderern wie wir gestört. Schließlich verzieht er sich in den Wald. Ob er mit angezogener Badehose zurückkommt warten wir nicht ab. Wer will kann sich mit dem Boot zum Spirit Island bringen lassen. Die Tour kostet 95 $. 1 Std. Kanu leihen kosten stolze 75 $, eine Tagesmiete Doppelkanu 225 $. Wir verzichten gerne. Mit der Übernachtung am Medicine Lake klappt es nicht. In der geschützten Parkbucht steht außer uns noch ein weiteres Auto und der Fahrer läßt sich langsam aber sicher voll laufen. Er macht auf uns keinen vertrauenserweckenden Eindruck, weswegen wir nur eine Brotzeit einlegen und zurück zum Overflow nach Jasper fahren.
Der letzte Versuch um den Mount Robson zu sehen.
Wir befinden uns auf dem Yellowhead Hwy Richtung Westen. Die Sonne scheint, kein Smog in Sicht und die Aussicht den höchsten Berg Albertas diesmal klar zu sehen steigt. Wir sind guter Dinge. Endlich sehen wir heute das, was wir ansonsten überwiegend nur nachts zu hören bekommen. Dazu im Doppelpack. Die kanadische Eisenbahn. Von beiden Seiten ertönt das Signal, das wir so gut kennen. Nach einiger Zeit gebe ich es auf die Waggon zu zählen, das wird mir zu langweilig.
Der Parkplatz am Visitor Center ist fast leer und ohne Asiaten. Wir haben einen freien Blick auf den imposanten Berg. Wir scheinen doch alles richtig gemacht zu haben. Eine Wanderung zum Bergsee kommt für uns nicht in Frage. Für die dreitägige und anspruchsvolle Tour ist ein Permit erforderlich und die Kapazitäten sind begrenzt. Wir werden morgen die erste Etappe bis zum Kinney Lake und ersten Shelter gehen. Die Kalorien die wir morgen verbrennen nehmen wir heute in doppelter Menge zu uns. Das Milcheis aus dem Mt Robson Café ist ein Genuss, da können wir nicht widerstehen.
Vor 4 Wochen waren wir schon einmal hier. Bedingt durch die Waldbrände war der Mount Robson im Smog nur schemenhaft zu erkennen. Seit 4 Wochen kein Regen, nur Sonnenschein, Temperaturen von +- 30 Grad. Überall in BC und Alberta ist Feuerverbot wie auf dem Bild zu erkennen ist. Die Reste unseres Brennholzes bleiben weiter in der Heckgarage. Wir stehen für drei Nächte auf dem Robson Shadows Campground direkt an Fraser River. Trotz der Hitze wollen wir morgen zum Kinnley Lake laufen. Heute Abend genießen wir erst mal den tollen Blick auf den in der Abendsonne leuchtenden Mount Robson. In aller Herrgottsfrühe verlassen wir das Camp um nicht vor einem vollen Parkplatz zu stehen. Die Parkmöglichkeiten am Ausgangspunkt der Wanderung sind begrenzt. Vor uns liegt eine Strecke von 15 Km return.
Obwohl der überwiegende Teil der Wanderung im Schatten der Bäume verläuft muß außer genügend Wasser und Bärenspray auch mein Schweißtuch mit.
Es geht immer den Robson River entlang. Vom Fluß kommt eine angenehm kühle Luft, die für etwas Erfrischung sorgt. Wie nicht anders zu erwarten ist auch auf dieser Wanderung für alle menschlichen Bedürfnisse gesorgt. Da wir in der Früh los gegangen sind und noch kein Wind aufgekommen ist spiegelt sich der Mount Robson im klaren Wasser des Kinney Lakes. Ein wirklich beeindruckender Anblick, der uns vergessen lässt den Morain und Louise Lake nicht gesehen zu haben. Bevor wir uns wieder auf den Weg machen lassen wir dieses stimmungsvolle Bild eine Weile auf uns einwirken. Weiter geht es durch den dichten mit Moos bewachsenen Wald. Am gegenüberliegenden Ende des Sees befindet sich der erste Campground. Es gibt durch Holzbohlen abgesteckte Parzellen für jeweils ein Zelt, dazu einen großen überdachten Shelter und eine bärensichere Vorrichtung um die Lebensmittel in luftiger Höhe zu lagern. Wir kennen eine andere Möglichkeit um Lebensmittel bärensicher zu verwahren. Wir essen sie hier und jetzt auf. Für alle die weiter zum Bergsee laufen wird die Tour ab jetzt anstrengend, während wir den gleichen bequemen Weg zurück gehen.
An drei Tagen drei Wanderungen. Wenn auch keine Mammutstrecken aber immerhin mir reicht es erst einmal.
Eigentlich könnte ich im Camp meine Wanderschuhe anlassen, denn der Weg zur Dusche ist ca. 500 Meter lang. Über Schotter und Kies geht es steil bergauf zum Office wo sich die Duschen befinden. Wanderstöcke wären auch nicht schlecht. Nach dem Duschen hoffe ich, daß mir auf dem Rückweg kein Auto entgegen kommt und mich wieder voll staubt.
Ich finde wir haben uns eine kleine Belohnung verdient. In unserem Vorratsschrank befindet sich noch eine Bananen Walnuss Backmischung. Heute Nachmittag gibt es Kuchen. Abends werden wir wieder statt zu grillen unseren Gasherd anschmeißen. Noch immer ist Feuer verboten. Das Brennholz ( seit Wochen in der Heckgarage) werden wir wahrscheinlich irgendwo liegen lassen müssen, denn wir dürfen es nicht mit nach USA einführen.
In Clearwater ist Entspannen angesagt. Wir gönnen uns den Luxus eines gehobenen Camps direkt an einem See, statt im Wells Gray PP zu wandern. Unter allgemeinem Gelächter tauche ich zentimeterweise ins kühle Naß hinein. Ein paar kräftige Schwimmzüge helfen gegen die Kälte. Den Bereich der Seerosen meide ich, denn das Gewusel um meine Beine mag ich nicht. Silvia schwimmt zu meinem Entsetzen auf den See hinaus. Ich bin genügsamer, mir reicht ein kurzes Bad denn es wartet Arbeit. Schreiben, Betten beziehen, Wäsche waschen, Staub und Boden wischen.
Dafür kommt Silvia mit einer Überraschung zurück. Heute wird nicht gekocht, wir gehen essen. Sie hat einen Tisch im Restaurant bestellt. Wir sitzen auf der Terrasse am See und genießen den Fisch und den kühlen Weißwein. Es könnte uns schlechter gehen. Abends kommunizieren wir via Whats App mit Stefan. Amerika scheint noch nicht der Brüller zu sein. Positiv klingt anders.
Für uns geht es auch wenig positiv weiter. Auf dem Southern Yellowhead Hwy machen wir uns auf den Weg nach Kamloops, kaufen auf die Schnelle ein und verlassen den Ort fluchtartig. Der Smog der Waldbrände ist unerträglich. Wir erfahren, daß viele ältere Bewohner oder solche mit Atemwegserkrankungen evakuiert wurden. Alle Trails sind gesperrt und Offroadfahren ist verboten. Für unsere Evakuierung sorgen wir selber und begeben uns nach Salmon Arm. Die Käserei mit angeblichem Gouda finden wir nicht, dafür aber einen Farmers Market mit frischem Obst und Gemüse. Nur Gouda wie wir ihn kennen gibt es nicht. Wir suchen seit geraumer Zeit eine Übernachtungsmöglichkeit. Leider lesen wir nur No Overnight. Zum Glück verfährt sich Silvia während ich ein Nickerchen mache. Ich kann so schnell nicht eruieren wo wir uns genau befinden. Nach 15 Km auf einer Straße deren Ränder zum großen Teil weggebrochen sind taucht ein Schild, Recreation Site, auf. Die Zufahrtsstraße sieht übel aus. Erinnerungen kommen auf. Wenn das man gut geht. Nach 800 Metern im Schritttempo stehen wir am Salmon Arm Cooke Creek Camp mitten im Nirgendwo. Was für uns gleichbedeutend mit Wildnis ist, ist für den Kanadier ein beliebtes Wochenendziel. Auf dem Fluß ziehen Jugendliche in Schlauchbooten oder Gummireifen vorbei, überall wird geangelt und die Kinder tollen im Wasser herum.
Vor Armstrong weisen Hinweisschilder auf die Log Barn, der angeblich gemütlichsten Scheune in BC hin. Unserer Meinung nach überwiegt der Kitsch. Figuren aus Pappmaché, ein paar alte Gegenstände und ein riesiger Verkaufsladen locken die Gäste an. Was soll es, das Geschäftsmodell geht auf. Wir kaufen einen sündhaft teuren Gouda.
Wir befinden uns in der Region West Kootenay. Alles ist trocken. Birken und Farne sind gelb. Man könnte meinen der Herbst beginnt. Bei Needles setzen wir mit der Ferry über den Columbia River nach Fauquier. Bei Galen geht es ein zweites mal über den Fluß nach Shelter Bay. Gestern hat in dieser Gegend ein Feuer gewütet und die Sicht ist katastrophal. In Revelstoke ist es nicht besser. Wir sprechen mit Touristen die für drei Wochen in Kanada unterwegs sind . Alle sind maßlos enttäuscht. Wanderungen sind verboten und Campgrounds gesperrt. Immer häufiger lesen wir die gleichen Schilder wie zu Beginn unserer Reise durch Kanada. Closed! Den Revelstoke Dam können wir besichtigen, danach fahren wir den TCH weiter Richtung Golden in der Hoffnung doch noch bessere Bedingungen vorzufinden.
Vor uns taucht ein Police Office auf und zeigt an daß wir in die Parkbucht fahren sollen. Die erste Kontrolle nach 5 Monaten, aber warum?. Zu schnell gefahren sind wir nicht. Er will wissen was wir für ein Wohnmobil fahren, woher wir es haben, ob es uns gehört und ob wir die notwendigen Papiere und Versicherungen vorweisen können. Die sind gut versteckt und müssen erst gesucht werden. Mein Gott, wie sehen die Papiere aus? Wir haben einen ganzen Wust an Unterlagen. Er gibt erst Ruhe nachdem wir alle Papiere vorzeigen. Schließlich ist er zufrieden und wünscht uns eine gute Fahrt. Was sollte das denn?
Irgendwie ist uns im Moment die Luft ausgegangen. In Gedanken befassen wir uns immer mehr mit der Einreise in die USA. In Salmo erhalten wir den Tipp einen Abstecher nach Nelson einzulegen. Die Stadt wäre äußerst reizvoll und sehenswert. Warum nicht, denn unsere Möglichkeiten sind eh stark eingeschränkt. Die Dame, deren Tochter hier lebt hat recht. Nelson ist eine ansehnliche Kleinstadt in West Kootenay mit einem tollen Visitor Center wo wir das Wohnmobil stehen lassen können. Bunte Blumenampel, nette Cafés und alte historische Gebäude, die noch aus der Zeit des Silberrausches stammen beherrschen das Straßenbild. "Silvia, ich glaube es regnet ein wenig". Und tatsächlich fallen einige Tropfen. Aus den Geschäften kommen die Verkäufer auf die Straße gerannt, recken die Arme in den Himmel in Erwartung eines kräftigen Regenschauers. Der allerdings bleibt aus.
Die letzte Nacht vor Osoyoos stehen wir am Nancy Lake auf einem Parkplatz wie es scheint. Es ist aber eine einfache Recreation Site mit nummerierten Plätzen, Plumstoilette und einigen Tischen. So wie der Platz aussieht sehen auch die meisten Camper aus. Vor und neben uns wird nicht getrunken sondern gesoffen. Es ist laut und alles andere als gemütlich. Das Beste an diesem Platz ist der endlich einsetzende Regen.
Wir stehen wieder oberhalb Osoyoos am Anarchist Mountain Lookout. Im April standen die Obstbäume in voller Blüte, jetzt sind die Früchte geerntet und die Weinberge ergrünt. Den Haynes Point PP mit seinem Campground werden wir nicht noch einmal, obwohl lohnenswert, besuchen. Wir wollen wieder auf dem Nk`mip Resort stehen und müssen uns jetzt mit dem Wohnmobil hinten anstellen. Hoffentlich geht das gut. Wir haben nicht gebucht. Wir bekommen einen Platz zwar nicht direkt am See aber das ist wegen der Mücken auch nicht so schlecht. Unsere letzen 3 Tage in Kanada werden wir hier verbringen. Der Wagen muß hergerichtet werden, noch mal Wäsche waschen, aufräumen alle Papiere für den Grenzübergang zurechtlegen, eben alles erledigen um einen guten Eindruck auf die Grenzbeamten zu machen. Dazu gehört auch der Gang zum Friseur. Es ist Hochsaison. Auf dem See tummeln sich die Wassersportler und die Strandbar ist geöffnet. Wir stellen fest Cocktails können sie nicht zubereiten.
Das Kapitel Kanada/Alaska wird morgen nach 24820 gefahrenen Kilometern geschlossen. Wir können die Aussage einer Deutschen jetzt nachvollziehen. Auch wir wollen nach 5 Monaten keine Bäume mehr sehen. Außerdem ist momentan das Reisen wegen der Waldbrände stark eingeschränkt.
Nach diesen 5 Monaten sind wir ein eingespieltes Team. Es funktioniert wie bei einer geölten Maschine und alles geht Hand in Hand. Jede hat ihren speziellen Aufgabenbereich. Wir sind gelassener, selbst beim Einkaufen, fühlen uns nicht mehr wie Urlauber die innerhalb kurzer Zeit möglichst viel sehen wollen und einen Tagesplan entwickeln. Wir haben unseren Rhythmus gefunden, lassen es morgens in Ruhe angehen und beenden die Fahrerei immer da wo es uns gerade gefällt. Natürlich sind wir hin und wieder unterschiedlicher Meinung, aber meistens ist es so, daß eine das ausspricht was die andere gerade denkt. Im Nachhinein gab es nur drei Situationen die wir uns nicht mehr wünschen. Eine Reparatur am Auto, eine Paddeltour bei starkem Wind und einen Weißkopfseeadler der im Tiefflug geradewegs auf uns zusteuert.
Etwas früher als vorgesehen ist es Zeit für ein anderes Land, neue Eindrücke und neue Herausforderungen. Kanada und seine Bewohner waren tolle Gastgeber, die uns den Aufenthalt sehr angenehm machten. Wir werden mit Sicherheit oft an dieses phantastische Land mit seinen sympathischen Bewohnern mit Wehmut zurückdenken.
Zum Schluß fällt mir das Schild aus der Mall in Edmonton ein auf dem folgendes zu lesen ist und dem wir nur zustimmen können:
THE WORLD NEEDS MORE CANADA