Von Alberta über Osoyoos nach Vancouver / Plan B

Bislang ist mehr oder weniger alles nach Plan verlaufen obwohl wir keinen genauen Plan hatten. Wir wollten nur zügig von Ost nach West. Daß es so schnell ging lag nicht an uns. Das Wetter war Schuld. Wer verbringt seine Zeit freiwillig im Dauerregen oder Schneetreiben wenn es noch so viel anderes zu erleben gibt? Von nun an wollen wir unseren Spruch "Hetzt uns nicht" beherzigen. Ab Alberta soll alles anders werden, wie unserer Aufenthalt in den Badlands zeigt. Diese liegen hinter uns und vor uns die Rockies. Auf dem Weg dorthin wollen wir über den Crowsnest Pass und vor Cranbrook von der 93 auf die 95 bei Fort Steele in den Kootenay NP. Dazu kommt es aber nicht. Der Crowsnest Pass hat eine Höhe von lediglich 1365 Metern und ist der südlichste Gebirgespass in den kanadischen Rockies. Es schneit. Ein familiär geführter kleiner Campingplatz direkt an der Straße ist am späten Nachmittag genau der richtige Ort zum Übernachten. Das Familienhaus erinnert an den Schwarzwald. Die Sanitäranlagen sind liebevoll mit frischen Blumen geschmückt und Handtücher für die Gäste liegen bereit. Zudem ist es schnuckelig warm, was wir von der Außentemperatur nicht behaupten können. Der Schneefall wird heftiger und laut Betreiberin soll es in Calgary und den Nationalparks in Banff, Jasper und den Waterton Lake NP chaotisch sein.

Der nächste Morgen läßt nichts Gutes erahnen. Nicht nur Tische und Stühle haben eine weiße Haube sondern auch unser Wohnmobil. 

Machen wir jetzt die Rockies oder später? Wollen wir weiter Schnee oder lieber Sonne? Die Rockies laufen uns nicht weg, deshalb greift Plan B. Es heißt weiter GO WEST.

Auch Ende April sind die Sehenswürdigkeiten auf der Strecke noch nicht geöffnet. Wir fahren auf der 3 dicht an der amerikanischen Grenze entlang, immer in der Hoffnung, daß der Himmel aufreißt. Wir fahren über den Rossland Strewberry Pass und am Christina Lake entlang. Nach zwei Tagen erreichen wir Osooys und haben endlich den langersehnten Frühling.

 

 

Wir befinden uns in British Columbia, im Okanagan Valley. Der Ort Osoyo0s liegt unmittelbar an der Grenze zur USA. Von Osten über den Crowsnest Pass kommend haben wir am Anarchist Mountain Lookout einen phantastischen Blick auf die von Bergen eingerahmte Stadt. Der Frühling ist eingekehrt und die Obstbäume stehen in voller Blüte. Wohin wir schauen, eine rosarote und weiße Blütenpracht, dazu Weinberge. Uns geht das Herz auf. Eine Landzunge mit einem Campingplatz ragt in den See hinein. Die Plätze des Hayes Point Provinziell Park sind alle belegt. Wie wir erfahren ist eine vorherige Buchung immer ratsam. Wir stehen für einige Tage auf dem Nk`mip Campground direkt am See. Er rühmt sich der wärmste See Kanadas zu sein. Wir nehmen die Räder und fahren in die nahe gelegene im maurischen Stil erbaute Stadt. Wie nicht anders zu erwarten geht es  auch hier bergauf und bergab. Am See rasten wir und erkunden das Naturschutzgebiet im Hayes Point Park. Der Osoyoos See kennt keine Grenzen und erstreckt sich bis in die USA. Wir könnten dorthin radeln aber wir haben ein kleines Weingut in unmittelbarer Nähe zum Campingplatz entdeckt. Dieser hat eine magische Anziehungskraft. 

Dank der Lage und dem milden Klima ist das Okanangan Valley nicht nur im Sommer eine beliebte Urlaubsregion. Der Platz ist gut gefüllt und im Waschraum laufen alle Waschmaschinen heiß. Bei der Waschaktion lernen wir Katherine aus den USA kennen. Wäsche waschen verbindet und wir kommen ins Gespräch. Wenn sie nicht gerade in ihrer Firma die Bio Life Produkte herstellt ist sie mit ihrem Ehemann ständig unterwegs. Natürlich in einem sogenanntem Dickschiff. Die Amerikaner lieben es groß. Je größer um so besser. Ihre Einladung für heute Abend nehmen wir gerne an und sind gespannt wie diese mobilen Wohnheime von innen aussehen. Bei unserem Eintreffen prasselt ein Feuer im Kamin und der überdimensionale Fernseher läuft natürlich auch. Wir versinken in tiefe, weiche Ledersessel. Ein kurzer Blick in die Küche macht uns neidisch denn unsere Kochnische zu Hause ist kleiner. Im Gefrierschrank stapeln sich die Rindersteaks. Wir trinken Wein aus verzierten, schweren Kristallgläsern. Das Mobiliar erinnert uns an Gelsenkirchener Barock. Wir erleben einen netten Abend mit unseren Gastgebern Katherine und Ron und deren befreundetem Ehepaar aus Seattle, sind aber froh irgendwann in unser spartanisches Heim zurückkehren zu können.

Wir verlassen Osoyoos und fahren durch das Obst und Weinanbaugebiet des Okanagan Valley.  Bei Summerland geht es in die Ornamenten Garden Schlucht und den angrenzenden Park. Im Ort selber können wir in der Bäckerei schnell noch leckeres, frisches Brot kaufen. Die Ortschaften Kelowna, Kamloops und Vernon liegen auf der üblichen Touristenroute. Momentan sehen wir so gut wie keine Mietfahrzeuge. Wir sind mit den Kanadiern und Amerikanern anscheinend alleine unterwegs. Wir fahren durch eine idyllische Landschaft wo der Frühling langsam erwacht. Wir passieren Weinberge und Obstplantagen und kommen zu dem Entschluss diese Region später noch einmal anzusteuern.  

Etwas nördlich von Kelowna liegt direkt auf der anderen Seite des Okanagan Lakes der Bear Creek Provincial Park mit einem sehr schönen Campground. Zum Wochenende gehört immer etwas Glück dazu einen freien Platz in den Parks zu bekommen. Die Kanadier zieht es regelmäßig zum Wochenende in die Natur. Sie bevorzugen Camps am See, wo sie ihrer Leidenschaft, dem Angeln, nachgehen können. Ab Montag kehrt wieder Ruhe ein. Ein Aufenthalt, nicht nur für einen Tag lohnt sich hier. Wanderungen, im Sommer baden oder auf dem Kieselstrand nur faulenzen. 

Wir haben uns eine Axt gekauft. Eine kleine Axt, passend für das Wohnmobil. Bei der Rangerin bestellen wir Brennholz, was dann bis zum Platz geliefert wird. Selbst hier wird mit Kredit Karte bezahlt. Die Qualität des Holzes können wir uns nicht aussuchen. Es gibt von dicken Ästen bis schmalen Stücken alles, auch unterschiedliche Holzarten. Aller Anfang ist schwer. Im Internet lese ich zufällig einen schwedischen Ratgeber. "Gänsfors Bruk" sagt sinngemäß folgendes über das Holzhacken: Wir benötigen einen ungefähr kniehohen, stabilen Hackklotz. Er sollte auf einem nicht schwingendem Untergrund stehen. Ein schwingender Untergrund vermindert die Schwingkraft und die Spaltwirkung. Das Holz wird auf die gegenüberliegende Seite des Holzklotzes gestellt. Dadurch besteht ein geringeres Risiko daß wir uns selber verletzen. Benötigen wir jetzt einen Verbandskasten?

So weit, so gut. Wir müssen mit den uns vorliegenden Begebenheiten vorlieb nehmen. Nehmen wir das, was da ist. Nichts. Das Holz stelle ich auf den weichen Boden, soweit es denn stehen bleibt. Die Kniehöhe schenke ich mir, sonst müßte ich mich hinknien. Mein ganzer Einsatz ist gefragt. Ich hole aus und das Holz fällt um bevor ich die Axt hinein hauen kann. Na ja, hauen ist zu viel gesagt. Ich taste mich vorsichtig an die nötige Schwingkraft heran. Es ist mehr ein anklopfen. Ich bin froh wenn die Axt eine Kerbe in das Holz geschlagen hat und an der Axt hängen bleibt. Axt mit Holz schwinge ich nach hinten Richtung Schulter und eh ich mich versehe fliegt das Holz durch die Luft. Silvia erteilt mir im sicheren Abstand kluge Ratschläge und nervt. " Nimm doch mal richtig Schwung", "Pass auf deine Finger auf", "Du mußt das Holz auch gescheit hinstellen". Ich versuche es mit einem anderen Holzstück und lege meine ganze Kraft in den Schwung. Das Ergebnis, das Holz bleibt standhaft und die Axt sitzt fest. Zu zweit können wir sie befreien. 

"So geht das auch nicht, laß mich mal". Ich komme Silvias Bitte mit Vergnügen nach. "Kräftig ausholen belehrt sie mich", und hebt die Axt bis auf Brusthöhe an und schlägt sanft zu. Das Holz merkt nichts vom Schlag. "Ich glaube die Axt ist zu klein", gibt sie zu bedenken. Übung macht bekanntlich den Meister. Wir bearbeiten alle Holzstücke aus dem Bund und haben schließlich bei einigen Erfolg. Wir suchen noch trockene Äste und innerhalb kürzester Zeit lodert ein wärmendes Feuer. Zum festlichen Anlass gibt es selbst gebackenen Zitronen Kuchen aus dem portablen Omnia Backofen. Die zweite Premiere heute.

Ist das Leben nicht schön? Besonders wenn der Nachbar , ein kräftiger Mann, beim Holzhacken verzweifelt.

 

Der nächste Morgen.

Auf dem Weg zum Sanitärhaus höre ich es klopfen und hämmern. Ich weiß es ist nicht Silvia. Hoch oben auf einem abgesägten Baumstamm gibt ein Haubenspecht sein Bestens. Dicke Holzspäne fallen auf den Boden, die hätten wir gestern gut gebraucht können. Oben auf dem Baumstamm hockt in luftiger Höhe Frau Specht und schaut zu. Es dauert eine Weile bis sie sich bequemt es ihrem Mann gleich zu tun.

Es ist Sonntag und die Kanadier reisen ab. Direkt gegenüber dem Campplatz beginnt der Bear Creek Trail auf dem wir die gleichnamige Schlucht umrunden. Es geht sofort steil bergauf ohne Zeit zum Warmlaufen. Überall liegen verkohlte Baumstämme. Es duftet nach Tannen und Rauch. Der Rauch steckt aber in unserer Kleidung und erinnert an das gestrige Lagerfeuer. Die Natur ist aus dem Winterschlaf erwacht und die ersten gelben Blumen leuchten in der Sonne. Auf gut ausgebauten Wegen und endlosen Treppenstufen kommen uns einige Sonntagsausflügler entgegen. An ausgewiesenen Stellen können wir bis dicht an den Abgrund stehen und in die Tiefe blicken. Unter uns brodelt das Wasser und rauscht mit Getöse den Canyon hinunter um letztendlich im See zu münden. Wir haben einen ausgezeichneten Blick auf den Lake und den darauf festgezurrten Baumstämmen, die auf den Abtransport warten. Auf der anderen Seeseite sehen wir Kelowna. Den Tag beschließen wir mit einem letzten Spaziergang am menschenleeren See.

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Der Yukon muß warten. 

Regel Nummer 3

Ich suche während der Fahrt nach Tieren und Silvia hält die Augen geradeaus auf die Straße gerichtet.

Ein frommer Wunsch. Die Regel wird selten eingehalten. 

Wir befinden uns linksseitig des 110 kilometerlangem Okanagan Sees auf der Westside Road und wollen Richtung Yukon nach Norden. Schilder warnen uns vor Longhorn Schafen. Ich entdecke trotz intensiver Suche keine aber Silvia ruft erschrocken "ich glaube da war etwas, könnte ein Longhorn gewesen sein". Wir halten an und steigen mit der Kamera bewaffnet aus. Silvia hat schamlos untertrieben. Nicht ein Schaf sondern wenn wir richtig zählen sind es neun Schafe, die faul am gegenüberliegenden Hang liegen. Alle mit mächtigem Gehörn. Vorsichtig pirschen wir uns näher heran. Ich mit der Kamera vorne weg, Silvia mit kleinem Abstand dahinter. Mit Kamera bin ich immer ein wenig mutiger. Wir wollen die Tiere nicht erschrecken und wissen auch nicht wie sie reagieren würden wenn wir ihnen zu nahe kommen. Mein Mut schwindet als eines der Tiere aufsteht, sich reckt und uns anblickt. Im Rückwärtsgang vergrößern wir den Abstand und lassen den Tieren ihre Ruhe. Bei Monte Creek stoßen wir auf den Hwy 1. Vorbei an Kamloops und den gleichnamigen See bis Cache Creek. Wir sind jetzt auf dem Cariboo Hwy.

 

 

Der Cariboo Hwy oder Hwy 97 wurde zur Zeit des Fraser und des Cariboo Goldrausches gebaut. Er führt über dem heutigen Clinton, Cache Creek, Quesnel bis Prince George. Eine schöne Strecke durch Wälder und an zahlreichen Seen vorbei. Die historische Hat Creek Ranch diente früher als Roadhouse auf der neuen Route der Cariboo Wagon Road und war eine Postkutschen Station der British Columbia Express Company. Heute ist sie ein Museum. An der Gabelung zweigen wir auf die 99, eine schönen Scenic Route. Der Abstecher ist landschaftlich reizvoll. Türkisfarbene Seen, der Crown und der Turquoise Lake dazu die Kalksteinschlucht mit der kleinen Recreation Site. Wir sind im Marble Provincial Park. Der Abstecher war im Nachhinein keine gute Idee.

Der ca 100 Meter lange Zuweg sieht wie ein Schweizer Käse aus. Da passiert es. Der Abwasserschlauch reißt ab. Jetzt ist guter Rat teuer. Laut App sind die Service Stationen für Wohnmobile weiter im Norden nur spärlich vorhanden. Damit müssen wir mal wieder umdisponieren. Es geht statt zum Yukon nach Vancouver. Doch noch sind wir hier und machen die Bekanntschaft von Julia und Nikla. Beide sind Krankenschwestern und 25 Jahre jung. Julias Mutter ist Deutsche und sie beherrscht ein wenig die deutsche Sprache. Sie selber ist Neuseeländerin. Ebenso wie Nikla, die aber seit 2 Jahren in Kanada lebt. Sie wollen in 4 Wochen von Vancouver nach Halifax. Das Budget der beiden scheint knapp zu sein denn im Morgengrauen verlassen sie, bevor der Ranger kommt, den Platz um die Gebühr zu sparen.

Auf dem Gold Rush Trail / Hwy 99, geht es über Pavillon bis Lillooet. Ab dort führt uns der Hwy 12 überwiegend am Fraser River entlang nach Chilliwack durch eine schöne, teilweise spektakuläre Landschaft, besonders wenn sich der Fluß durch die tiefen Schluchten schlängelt. Am Hell`s Gate, einer Verengung des Fraser River, wird die Fahrt unterbrochen. Mir einer Gondel geht es hinunter auf die andere Seite. Kaum unten angekommen schlängelt sich der Rocky Mounteneer in Schrittgeschwindigkeit an uns vorbei. An beiden Ufern des Flusses wurden sogenannte Fischleitern gebaut. Durch die künstlich herbei gerufene Enge konnten die Lachse nicht mehr gegen die starke Strömung anschwimmen um zu ihren Laichgründen zu gelangen.  

In Hope wollen wir eine Tunnelwanderung unternehmen, müssen aber feststellen, daß die Tunnel momentan gesperrt sind. Na gut, dann eben weiter nach Chilliwack. Hier gibt es zwei Service Stationen. In Hope erhielten wir den Tipp es im O Conner RV Centre zu versuchen. Das machen wir aber ohne Erfolg. Wir sollen in sechs Wochen wieder kommen. Sie lassen sich nicht umstimmen und machen auch keine Anstalten sich den Schaden anzusehen. Stattdessen verweisen sie uns an die zweite Werkstatt einige hundert Meter weiter. Im Cottenwood RV Sales & Services Ltd. werden wir zumindest vom Chef persönlich mit Handschlag empfangen. Die Buschtrommel funktioniert. Wir halten ihm den abgerissenen Abwasserschlauch buchstäblich unter die Nase. Nein, er kann uns nicht helfen. Wir bleiben dieses mal hartnäckiger und er läßt sich schließlich erweichen. Das Auto kann auf die Bühne und ist für einige Zeit weg. Ein findiger Angestellter weiß eine Lösung und kann den Schaden noch heute beheben. Während er tüftelt unterhalten wir uns mit einem weiteren Angestellten dessen Großeltern aus Deutschland kommen. Schon wieder ein Kanadier mit deutscher Abstammung. Mit Besen und Kehrblech ausgestattet steht er vor uns und schwärmt von seinen Besuchen in Deutschland. Berlin und Freiburg mit dem Schwarzwald haben es ihm besonders angetan. Er und wir haben Spass bei der in deutsch geführten Unterhaltung. Ich weiß nicht wer mehr strahlt. Er oder wir als nach 3 Stunden unser Dicker mit seinem angebrachten Abwasserschlauch vor uns steht.

Bis nach Vancouver schaffen wir es nicht ganz. Übernachtet wird in einem Vorort, an einer Mall mit freiem Blick auf den Kanal. Nachdem der Trucker neben uns den Motor nach Stunden ausstellt ist es ruhig und wir verbringen hier eine angenehme Nacht.

Morgen werden wir frühzeitig in Vancouver sein und die Stadt erkunden.