Am späten Nachmittag setzen wir mit der Fähre rüber nach Vancouver Island, der größten nordamerikanischen Pazifikinsel. Es gibt mehrere Routen von unterschiedlicher Länge. Wir nehmen die Fähre von Horseshoe nach Nanaimo. Die Überfahrt ist ruhig ohne viel Seegang aber auch ohne Delphine oder Wale zu sehen. Bevor wir nach einer Übernachtungsmöglichkeit Ausschau halten müssen wir einkaufen. Da wir fast nie wissen wo wir genau landen ist es ratsam die Vorräte rechtzeitig aufzufüllen.
Auf dem Weg nach Süden hält uns der kleine Ort Chemainus am nächsten Tag länger in seinem Bann als gedacht.
Chemainus hebt sich durch seine 44 Wandmalereien, den sogenannten Murat, angenehm von anderen Ortschaften ab.
Der Name Chemainus ist ein Indianisches Wort. Herr Askew, der Besitzer des 2. Sägewerkes dachte, die Indianer nannten den Ort Timmunus, was in der indianischen Legende gebrochenen Rippe bedeutet.
Ca 4500 Menschen leben heute in der Stadt.
Seit 1858 wurden nacheinander 5 verschiedene Sägewerke an der gleichen Stelle in der Stadt gebaut.
Aus der Not geboren kamen die Bewohner nach dem Niedergang der Sägemühle auf die Idee ihre Häuser kunstvoll zu gestalten. Somit war der Grundstein für ein attraktives Touristenziel gelegt. Die Malereien stellen die Geschichte des Ortes und das Leben der Menschen dar. Vom Visitor Center müssen wir nur den gelben Fußspuren folgen und gelangen so zu den verschiedenen Wandmalereien.
Das Projekt der Wandmalereien wurde im Jahre 1982 begonnen. Die Malereien sind von aktuellen Fotografien aus dem Geschichtsbuch entnommen. Der Titel des Buches lautet " Wasser über das Rad " ( H. W. Ohlsan). Wir sind von den Kunstwerken so fasziniert, daß wir 3 Stunden mit dem Rundgang beschäftigt sind.
Zum Glück hat eine Bäckerei geöffnet. Unser selbst gebackener Zimtkuchen schmeckt zwar nicht schlecht aber mit den Zimtschnecken in Kanada ist er nicht zu vergleichen. Ich kann jetzt schon behaupten daß das Gebäck aus der Utopia Bäckerei in Chemainus nur schwer zu toppen ist. Wir kaufen nicht nur Cinnemon Rolls sondern erstehen auch ein Knoblauchbrot/Käsebrot. Frisch gestärkt machen wir uns auf den Weg zum Goldstream Provincial Park. Der Hwy 1, der in Victoria an der Douglas Rd beginnt, ist Teil des Transkanada Highway System und führt durch den Goldstream PP bis nach Alberta. Obwohl wir den Aufenthalt in Vancouver genossen haben sind wir froh wieder inmitten der Natur zu sein.
Im Goldstream Provincial Park, etwas nördlich von Victoria, sind die Stellplätze zum Glück so groß, daß der Nachbar in sicherer Entfernung ist, denn beim Lagerfeuer verzehren wir das heute erstandene Knoblauchbrot. Dazu gibt es trockenen Rotwein. Das Feuer knistert und die Funken sprühen. Wir zählen ungefähr 20 Knoblauchzehen die in unseren Mündern verschwinden. Ich weiß nicht wonach wir mehr riechen, Knoblauch oder Rauch. Immer kommt der Wind aus der verkehrten Richtung und bläst uns den Rauch ins Gesicht. Wären die Mücken schon unterwegs hätten wir weniger dagegen, jetzt rücken wir aber mit den Stühlen ständig hin und her.
Am nächsten Tag wandern wir.
Ein zünftiger deutscher Wanderer geht nicht einfach so in die Natur. Mit dabei sind Wanderstöcke, Regenjacke und Regenhose, Proviant und Wasser, für mich ein Schweißtuch und für Silvia eine Mütze. 2 Sitzkissen sind immer dabei. Wanderschuhe an, Rucksack auf, es kann losgehen. Direkt am Platz beginnt der Arbutus Ridge Trail, dem sich später der Gold Mine Trail anschließt. Ziel ist eine alte Eisenbahnstrecke mit einer Eisenbahnbrücke und dem Niagara Falls. Nicht zu verwechseln mit den Niagara Falls in Ontario. Über uns der strahlend blaue Himmel und vor uns ein Märchenwald in dem Moos und Flechten die Äste und Zweige bedecken. Ein untrügliches Zeichen für häufige Regenfälle. Wie könnte es anders sein. Wir bewegen uns ständig nach oben. Nach ca. 45 Minuten kommt uns eine junge Frau entgegen. Rebecca, eine Spanierin die für 1 Jahr in Calgary lebt und arbeitet, hat kalte Füße bekommen. Sie traut sich nicht mehr alleine weiter zu gehen. Wir befinden uns im Bärengebiet und die Tiere haben ihren Winterschlaf mittlerweile beendet. Ausgestattet mit Bärenspray, das wir noch nicht haben, hatte sie das gleiche Ziel. Sie schließt sich uns an und wir wandern zusammen weiter. Meine Hoffnung, daß sie ein langsameres Tempo anschlägt als Silvia ist ein frommer Wunsch. Wir passieren eine große Höhle in der ein Bär bequem den Winter verbracht haben könnte. Normalerweise verhalten wir uns auf Wanderungen eher still und genießen es unseren Gedanken freien Lauf zu lassen. Nicht hier. So weit es meine Luft erlaubt rede ich lauter als sonst wie ein Wasserfall. Man kann ja nicht wissen was sich im Gestrüpp verbirgt. Nach etwas 1,5 Stunden stehen wir am Fuße, unterhalb der Eisenbahnbrücke.
Die Brücke zu überqueren ist einfach wenn man schwindelfrei ist. Zwischen den Bohlen sind Abstände, die in meinem Kopf immer breiter werden. Stimmt natürlich nicht. Wie Storch im Salat bewege ich mich vorwärts. Angstschweiß, das Schweißtuch kommt zum Einsatz. Es ging steil hinauf und jetzt auf den anderen Seite steil hinunter. Wir gehen an einem kleinen Wasserlauf entlang bis wir vor einem Tunnel stehen. Jetzt ist es nicht mehr weit bis zum Wasserfall. Wir müssen nur noch den Bach überqueren, dann sind wir da. Wider Erwarten sind außer uns noch andere Wanderer Unterwegs. Auf der Brücke machten wir die Bekanntschaft einer deutschen Familie.
Die Vegetation erinnert uns an die Regenwälder Neuseelands. Auch hier greift der Mensch nicht in die Natur ein. Die Felsen sind mit dichtem Moos bewachsen von denen das Wasser abperlt. Es riecht förmlich nach Erde und Wald. Bevor wir uns auf den Rückweg begeben müssen wir die Straße unterqueren und stehen auf der anderen Seite vor über 900 Jahren alten Bäumen. Nach insgesamt 4,5 Stunden erreichen wir unseren Stellplatz. Rebecca sehen wir später im Sanitärgebäude beim Handyaufladen wieder. Die Duschen sind kalt und mehr als nur erfrischend. Den Tag beschließen wir mit einem kühlen Bier und legen nur noch die Beine hoch.
Der nächste Tag. Es regnet. Wir stehen in einem Vorort, in View Royal, auf einem Campingplatz. Ob wir es wollen oder nicht, es sind ganz alltägliche Hausaufgaben zu erledigen. Unsere Wäschesäcke sind voll und die Wohnung kann eine Grundreinigung vertragen.
Regel Nummer 4
Alles gehört an seinen Platz und nichts wird hinter der "Futt" liegen gelassen.
Eine gewisse Ordnung muß sein. Das schaffe ich auch wenn mein Bett von der Regel ausgeschlossen wird. Ich habe die unschöne Angewohnheit meine Wäsche ans Fußende zu legen. Alles was ich nicht benötige verschwindet erst einmal unter die Bettdecke, besonders Socken. Für seinen Kleiderschrank ist jede für sich verantwortlich. Silvias Schrank ist vorzeigbar, meinen zeige ich nicht. Ich weiß bis heute nicht wie sie das immer schafft. Silvia geht mit der ersten Wäsche in den Waschraum und ich gehe vom Auto zum Waschraum, vom Waschraum zur Rezeption, zurück zum Auto, wieder Richtung Waschraum. Ich leide nicht an Unruhezuständen. Mit dabei ist immer der Mac, gut unter der Regenjacke versteckt.
Ich versuche Bilder hochzuladen. Geduld ist gefragt. Am Besten klappt es noch vor dem Waschhaus. Dazwischen bleibt mir Zeit Kuchen zu backen, Wäsche zu sortieren, zusammenzulegen und wegzuräumen. Die Wohnung ist wieder staubfrei und der Boden gewischt aber die Bilder laden immer noch. Ich beende das Erstellen des nächsten Blogs und zur Frustbewältigung gibt es bei Kaffee und Tee den warmen Zitronenkuchen.
Victoria ist die Hauptstadt von BC. Mit dem Rad fahren wir auf dem gut ausgebauten Radweg die 10 Km lange Strecke bis Down Town. Das Visitor Center befindet sich direkt am Hafen. Gegenüber, auf der anderen Seite des Wassers, liegt das Parlamentsgebäude und das Royal BC Museum.
Das Museum mit den Schwerpunkten First Nations und Naturgeschichte ist eine der bedeutendsten Forschungs- und Kultureinrichtung Kanadas. Wir bummeln durch Geschäfte und landen schließlich in Chinatown. Nach San Francisco das zweit größte Chinatown in Nordamerika. Mitte des 19. Jahrhunderts kam ein Massenzustrom von Bergleuten aus Kalifornien und ließen sich hier nieder.
Nach Vancouver haben wir nicht die Muße um 2 Tage in Victoria zu bleiben. Zurück geht es auf dem Hwy 1 wo wir kurz vor dem Dougan Lake auf die Cowichan Bay Rd abbiegen. Der idyllische Fischerort Cowichan ist wahrscheinlich in keinem Reisebuch zu finden. Silvia entscheidet häufig aus dem Bauch heraus um die eigentliche Route zu verändern und fast immer werden wir angenehm überrascht. Pittoreske Häuser, das Eiskaffee "The Original Udder Guys", "Hillery`s Chees and Wine Bar" Pier 66 Marina und dazu diverse einladende Restaurants oder Souvenirläden erwarten uns. Wir schauen Bootsbauern bei der Arbeit zu und schlendern durch das liebevoll gestaltete Museum. Momentan liegen viele der Fischerboote und Yachten noch im Hafen.
Gewitterwolken ziehen heran. Wie schon zuvor in Nova Scotia stellen wir fest, daß diese Jahreszeit für die Küstenbereiche noch zu kalt und ungemütlich ist. Bei Parksville geht es auf die 4A, die im weiteren Verlauf auf die 4 stößt. Im Little Qualicum PP wandern wir wieder in einem phantastischen wildromantischen Wald. Auf einem etwa 6 Km langen Trail wandern wir an der zerklüfteten Schlucht entlang und passieren mehrere Wasserfälle. Der Fluß schlängelt sich in Hufeisenförm durch den Wald. Am Cameron Lake weiter durch den Mac Millan PP und Port Alberni zum Stamp River PP.
Im Mac Millan PP befinden sich riesige 900 Jahre alte Douglastannen. Wir müssen uns zwischen den teilweise umgefallenen Riesen auf dem Cathedral Cove Trail hindurchschlängeln. Der Regen der letzten Tage hat den Boden aufgeweicht und wir gehen durch Matsch und rumkurven geschickt einige Wasserlachen. Übernachtet wird im Stamp River PP auf einem einfachen aber wunderschön gelegenen Campingplatz direkt am Fluß. Die Fahrt nach Tofino schenken wir uns da die Grauwale mittlerweile bereits weiter im Süden sind und die Wahrscheinlichkeit noch welche zu sehen gering sein soll. Auf dem landschaftlich reizvollen Hwy 4 geht es zurück nach Port Alberni wo wir an der Straße einen holländischen Laden entdecken. Die Aussicht auf echten Gouda Käse läßt uns das Wasser im Munde zusammenlaufen. Wie das im Laden duftet. Alle Sinne werden angeregt. Neben Gouda kaufen wir Spekulatius und machen uns wie reich beschenkte Königinnen auf die Weiterfahrt. Der English River Falls PP ist für uns die letzte Station auf Vancouver Island. Unterwegs halten wir an einem Trödelmarkt und mischen uns unter die Leute.
Am 13. Mai verlassen wir Vancouver Island und besteigen ohne Wartezeit und Vorbuchung die Fähre von Nainamo nach Hoseshoe Bay